Lippen-Kiefer-Gaumen-Segel-Fehlbildungen
Bei Kindern mit Lippen-Kiefer-Gaumen-Segel-Fehlbildungen (im Folgenden: LKGS-Fehlbildungen) kann die mündliche Kommunikation durch Veränderungen der Sprechatmung, des Stimmklangs und der Aussprache beeinträchtigt sein.
Bereits im Säuglingsalter, vor allem in den ersten Lebenstagen, können unterschiedlich ausgeprägte Probleme beim Saugen, auftreten, die die Ernährung anfangs erschweren und die Eltern stark fordern. Wenn die betroffenen Kinder zu lautieren und später sinnvolle Wörter zu sprechen beginnen, klingt der Stimmklang häufig hypernasal (Rhinophonie), oder auch rau, heiser oder überhaucht, wenn die Kinder ihre Stimmbänder zu stark beanspruchen.
Der Schwerpunkt der Beeinträchtigung liegt auf der Aussprache. Sie ist auch nach dem operativen Verschluss der Spaltfehlbildung möglicherweise in der Verständlichkeit eingeschränkt. Das gilt vor allem dann, wenn die Fehlbildung auch den weichen Gaumen mit betroffen hat und die Funktion dieser Muskelgruppe nicht vollständig hergestellt werden konnte. Der weiche Gaumen (auch Gaumensegel oder Velum genannt) hat die Aufgabe, die Mundhöhle von der Nasenhöhle zu trennen und so dafür zu sorgen, dass beim Sprechen keine Luft durch die Nase entweicht. In der deutschen Sprache ist dies für fast alle Konsonanten in unterschiedlicher Ausprägung notwendig. Vor allem die Bildung von Explosivlaute wie /p/, /t/ oder /k/, aber auch die Strömungslaute /f/, /s,z/ und /sch/ kann für diese Patienten sehr schwierig sein. Wenn ein Anteil der Sprechluft durch die Nase entweicht, klingt der entsprechende Laut sehr unpräzise oder kann gar nicht als solcher erkannt werden. Auch die Sprechatmung wird dann in ungünstiger Weise verändert. Manche Kinder entwickeln zum Ausgleich sehr früh sogenannte Ersatzlaute. Sie benutzen andere, eigentlich für Lautbildung nicht vorgesehene Stellen, zum Beispiel den Rachen oder sogar den Kehlkopf, um Laute wie /t/ oder /k/ zu erzeugen. Dies verändert den Charakter des Lautes so, dass die betroffenen Kinder oder auch Erwachsenen in ihrer spontanen Sprechweise schlecht verstanden werden können. Das Mittelohr kann bei Kindern mit LKGS-Fehlbildung zeitweise schlecht belüftet sein und so zu vorübergehenden Höreinschränkungen führen, die wiederum die Sprachentwicklung beeinträchtigen können.
LKGS-Fehlbildungen zählen zu den zweithäufigsten Fehlbildungen, es werden jährlich etwa 1.400 davon betroffene Kinder geboren. Die Ursache ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Ein Teil scheint genetisch bedingt zu sein und kann vererbt werden. Der überwiegende Anteil jedoch scheint die Folge noch unklarer äußerer Faktoren zu sein, die in den ersten 8 bis 12 Schwangerschaftswochen die Verschmelzung von sogenanntem primären und sekundären Gaumenfortsatz stören. Bzgl. ihrer Entwicklungsgeschichte unterscheidet man die Gruppe der isolierten Gaumen- von derjenigen der totalen Lippen-Kiefer-Gaumenfehlbildungen. Letztere können ein-oder beidseitig auftreten und vollständig oder unvollständig ausgeprägt sein.
Aus einer Europäischen Langzeitstudie (EUROCAT European Surveillance of Congenital Anomalies 1996 – 2001) geht hervor, dass euopaweit eine Häufigkeit von 1:669 Geburten anzunehmen ist (zitiert nach Clefnet). Diese Angaben entsprechen in etwas den weltweiten Prävalenzraten von 1:600 (vgl. Enderby & Emerson 1996).
Mit Beginn der aktiven Sprachproduktion, also bei etwa 12 monatigen Kindern, können Logopädinnen altersentsprechende von fehlbildungstypischen Lautfehlern unterscheiden. Zu deren präziser Erfassung stehen ihnen spezielle Untersuchungsverfahren zur Verfügung. Eine transnasale Endoskopie, die der Phoniater bei Kindern ab 3 Jahren durchführt, zeigt die Funktion des weichen Gaumens beim Sprechen; eine sogenannte Nasalanzmessung kann den hypernasalen Anteil an der Sprechweise der Patienten objektiv darstellen.
Die Logopädin berät Eltern bei der Auswahl richtiger Trinkflaschen und Sauger und unterstützt den Säugling selbst beim aktiven Saugen, wenn sie dafür eine spezielle Ausbildung absolviert hat. Eine frühzeitige spielerische logopädische Therapie, die um das 2. Lebensjahr herum beginnt, sorgt dafür, dass sich Lautfehler nicht festigen, sondern schnellstmöglich verändert werden können. Auch die Veränderung des Stimmklangs kann bereits mit Kleinkindern spielerisch erarbeitet werden kann. Die Logopädin informiert sich über alle bereits erfolgten Schritte der medizinischen Rehabilitation, die durchgeführten Operationen, die Versorgung mit einem Trinkplättchen und die aktuellen Befunde bezüglich des Hörvermögens. In vielen Fällen macht die logopädische Begleitung eines Kindes mit LKGS-Fehlbildung eine Langzeittherapie notwendig.
Um sich über die komplexen und unterschiedlichen Hilfsangebote zu informieren, können sich Eltern über die Geburtsklinik direkt an das nächstgelegene Spaltzentrum wenden. Sie werden häufig bereits während der Schwangerschaft darüber informiert, dass ihr Kind von einer Spaltfehlbildung betroffen sein wird und können sich bereits vor der Geburt entsprechend Unterstützung suchen, z.B. bei der Selbsthilfevereinigung für Lippen-Gaumen-Fehlbildungen e.V. Wolfgang Rosenthal Gesellschaft.
Caspers, K. (2008) Das andere Lächeln. Babys mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalte. Ein Buch (nicht nur) für Eltern. Germering: Zuckschwerdt Verlag
Enderby, P., Emerson, J. (1996). Does Speech and Language Therapy work? A Review of the literature. London: Whurr Publishers
Neumann, S. (2002). LKGS-Spalten. Lippen-Kiefer-Gaumen-Segel-Spalten. Ein Ratgeber für Eltern. Idstein: Schulz-Kirchner
Wohlleben, U. (2004). Die Verständlichkeitsentwicklung von Kindern mit Lippen-Kiefer-Gaumen-Segel-Spalten: Eine Längsschnittstudie über spalttypische Charakeristika und deren Veränderung. Idstein: Schulz-Kirchner
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