Was tun Logopäden?
Logopädinnen und Logopäden arbeiten an den fünf zentralen Störungsbereichen Sprach-, Sprech-, Stimm-, Schluck- und Hörstörungen. Dabei werden Maßnahmen zur Prävention, Früherkennung, Beratung, Frühförderung, Therapie und Rehabilitation sowohl mit Kindern und Jugendlichen, als auch mit Erwachsenen durchgeführt. Weitere wichtige Aufnahmen übernehmen Logopäd*innen im Bildungsbereich, z.B. frühkindliche Sprachförderung, Beratung und Fortbildung von Eltern, Erzieher*innen und Lehrer*innen oder in der Therapie von Lese- und Rechtschreibstörungen. Derzeit gibt es insgesamt etwa 29.000 Beschäftigte im Bereich der Logopädie/Sprachtherapie (Statistisches Bundesamt, 2017). Mehr als 90% der Berufsangehörigen sind weiblich. Tätig werden Logopäd*innen in verschiedenen Einrichtungen, z.B. in logopädischen Praxen, Kliniken, Rehabilitationseinrichtungen, Ambulanzen, (Früh-)Förderzentren und in Kindergärten. Zudem arbeiten sie in der Forschung und Lehre an Berufsfachschulen und in hochschulischen Ausbildungen.
Beratung
Die Beratung ist nicht als einzelner Bereich, sondern als Baustein in der Therapie zu sehen.
Beratung findet immer dann statt, wenn Behandlungen begonnen werden, aber auch nach einer (neuen) Diagnostik und im Anschluss an jede Therapieeinheit. Sie kann aber auch der Prävention von Kommunikationsstörungen dienen, z.B. bei Eltern, deren Kinder im Alter von 24 Monaten kaum sprechen (Late Talker).
Grundlage der Beratung ist das Fachwissen über die menschlich Sprach-, Sprech-, Stimm-, Hör- und Schluckfunktion. Logopäd*innen wissen darüber Bescheid, wie sich diese Funktionen im Laufe des Lebens verändern, welche Störungen auftreten und wie sich diese auf die Fähigkeit der Kommunikation im Alltag der Patient*innen auswirken können (Rausch et al., 2014). Sie sprechen mit Betroffenen und deren Familien über alle auftauchenden Fragen. Sie klären mit ihrem Fachwissen auf und unterstützen die Beteiligten dabei, individuelle Lösungen zu entwickeln. Dazu werden bei Bedarf auch andere Fachleute aus den Bereichen Kita, Schule und Medizin in die Beratung mit einbezogen.
Diagnostik
Jede logopädische Therapie beginnt mit einer logopädischen Diagnostik.
Zu Beginn der Diagnostik wird mit den zu behandelnden Personen und/oder den Angehörigen/Eltern ein Anamnesegespräch geführt.
Das Anamnesegespräch dient der Erfassung des aktuellen allgemeinen und sprachlichen Entwicklungsstandes (bei Kindern), der Auswirkungen auf die kommunikativen Fähigkeiten, der Krankheitsgeschichte, der Interessen der Patienten und Patientinnen und der Erfragung des Störungsbewusstseins. Darüber hinaus werden mit den Betroffenen bzw. den Eltern Ziele für die Therapie festgelegt.
Anschließend folgt die logopädische Untersuchung. Bei Kindern kann ein offen gestaltetes Spiel zur Kontaktaufnahme und ersten Einschätzung des sprachlichen Entwicklungsstandes sinnvoll sein.
Mit Hilfe von Test- und Screeningverfahren werden diejenigen sprachlichen, artikulatorischen, stimmlichen, mundmotorischen und/oder Schluckfähigkeiten erfasst, die in der Anamnese als auffällig beschrieben wurden und/oder den Logopädinnen und Logopäden im Gespräch aufgefallen sind.
Nach Abschluss und Auswertung der Diagnostik verfassen Logopädinnen und Logopäden einen Befundbericht mit folgenden Angaben:
- Was wurde untersucht?
- Welche Untersuchungsverfahren wurden angewendet?
- Welche Symptome sind erkennbar?
- Welche Einzelergebnisse liegen vor und wie lassen sie sich interpretieren?
- Welche Störung liegt vor?
- Über welche Ressourcen verfügt die zu behandelnde Person?
- Welche Umweltfaktoren wirken sich positiv oder negativ auf die Störung aus?
- Welche Störungsschwerpunkte sollten in der Therapie behandelt werden?
Die Ergebnisse werden dann in einem Gespräch mit den Eltern oder den betroffenen Personen und deren Angehörigen besprochen.
Logopäden und Logopädinnen klären dabei darüber auf, warum eine Therapie notwendig ist, was in der Therapie gemacht wird und wie die Betroffenen zu Hause unterstützt werden können.
Auch im Laufe der Therapie wird die Diagnostik regelmäßig durchgeführt, um Veränderungen der Symptomatik messen und die Behandlung ggf. anpassen zu können.
Therapie
Auf Grundlage der durchgeführten Diagnostik wird eine individuell für die betroffene Person abgestimmte Therapie geplant. Dabei werden alle bekannten Einflüsse auf die Therapie berücksichtigt, wie z.B. das Störungsbewusstsein der Patient*innen, die Ressourcen, die sie mitbringen und auch ihre Interessen.
Je nach Störungsbild und auch Erfahrungen der Logopäden und Logopädinnen werden die Therapieverfahren bzw. die Therapieformen ausgewählt, die sich für die betroffene Person am besten eignen. Nach Möglichkeit wird ein Therapieverfahren ausgewählt, dessen Effektivität in Therapiestudien nachgewiesen wurde.
Nach jeder Therapieeinheit werden die Inhalte der Stunde, sowie die Fort- oder ggf. Rückschritte innerhalb der Therapie dokumentiert und auf Grundlage dessen die nächste Therapieeinheit geplant.
Im Verlauf der Therapie wird deren Erfolg immer wieder gemessen und interpretiert und das ausgewählte Konzept angepasst oder ein anderes Konzept ausgewählt.
Dabei orientieren sich Logopäden und Logopädinnen an den medizinischen Leitlinien zur Diagnostik und Therapie und bilden sich regelmäßig fort, um auf dem neuesten Stand sein zu können.
Wie lange eine Therapie dauert, hängt von vielen Faktoren ab und muss immer für den Einzelfall eingeschätzt werden.
Prävention und Gesundheitsförderung
Logopäd*innen können Angebote zur Prävention anbieten, die die Gesundheitskompetenz stärken und Kommunikationsstörungen vorbeugen. Zusätzlich ist es möglich, durch die logopädische Behandlung von Kommunikationsstörungen mögliche gesundheitliche Folgeerkrankungen abzuwenden bzw. abzumildern. Gesundheitsförderung und Prävention finden über die gesamte Lebensspanne hinweg Anwendung.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) unterscheidet bei Prävention (lat. „zuvorkommen, verhüten“) zwischen der primären, sekundären und tertiären Prävention (BMG):
Primäre Prävention
Aktivitäten, die dazu beitragen, das Risiko des Auftretens einer Krankheit in der Gesellschaft zu verringern. In der Logopädie geschieht dies beispielsweise, indem Logopäden und Logopädinnen die Öffentlichkeit (Ärzte und Ärztinnen, Eltern, Betroffene und Angehörige, andere Gesundheitsfachberufe, etc.) über die Förderung von Sprachbildung und Gesundheitskompetenz, Risikofaktoren und Ressourcen zur Vermeidung logopädischer Störungen aufklären damit die Entstehung logopädischer Störungsbilder verhindert und Gesundheitskompetenz und gesundheitliche Chancengleichheit gefördert werden.
Sekundäre Prävention
Aktivitäten, die dazu beitragen, dass die Häufigkeit von Krankheiten sich reduziert (weniger wird). Sie umfasst insbesondere Maßnahmen zur Früherkennung und der Erkennung und Reduzierung von Risikofaktoren für Krankheiten.
In der Logopädie geschieht dies beispielsweise, indem Logopäden und Logopädinnen Störungen mit Hilfe von Testverfahren zur Risikoeinschätzung und Feststellung des sprachlichen Entwicklungsstandes früh erkennen, und (früh) behandeln, sodass Störungen behoben oder verringert werden oder auch durch die Beratung von Risikogruppen, wie etwa von Berufssprecher*innen zu Warnzeichen der Stimme, der Minimierung von Risikofaktoren und dem Aufbau von schützenden Ressourcen für die Stimmgesundheit.
Tertiäre Prävention
Aktivitäten, die dazu beitragen, Krankheiten zu mildern, das Wiederauftreten chronischer (dauerhafter) Erkrankungen zu verhindern oder die Folgen chronischer Erkrankungen zu mildern.
Im Bereich der Logopädie können hier Diagnostik und Therapie ebenso wie Rehabilitation logopädischer Störungen genannt werden.
Wie der Entstehung von logopädischen Störungen präventiv begegnet werden kann, finden Sie unter:
Prävention von Sprachstörungen
Prävention von Stimmstörungen
Prävention von Schluckstörungen
Und was ist Gesundheitsförderung?
Im Gegensatz zur Prävention, die der Vorbeugung oder Verschlimmerung von Krankheiten begegnen soll, bezeichnet Gesundheitsförderung „einen Prozess, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen.“ (WHO 1986:1) Dies bedeutet, dass alle Aktivitäten im Bereich Gesundheitsförderung darauf abzielen, Schutzfaktoren gegen mögliche Erkrankungen zu erhöhen und die gesundheitlichen Lebensbedingungen zu stärken. Diese Unterscheidung zwischen Prävention und Gesundheitsförderung wird auch im Sozialgesetzbuch V § 20 (Link: www.sozialgesetzbuch-sgb.de/sgbv/20.html) vorgenommen, gleichzeitig jedoch betont, dass es Aufgabe der Krankenkassen ist, Maßnahmen in diesem Bereich finanziell zu unterstützen. Gesundheitsförderung wird auch als Maßnahme innerhalb der primären Prävention verstanden.
Qualitätsmanagement
Die Qualität der medizinischen Versorgung wird in die Dimensionen Prozess-, Struktur- und Ergebnisqualität eingeteilt (Donabedian, 1980, zitiert nach Wübker, 2007). Dabei umfasst die Prozessqualität die Fähigkeiten und Qualifikationen der Leistungserbringer (z.B. bzgl. Diagnostik und Therapie), die Strukturqualität die Ausstattung mit Ressourcen (z.B. Material, Organisationsstruktur, …) und die Ergebnisqualität die Ergebnisse der Behandlung inklusive der Zufriedenheit der Patientinnen und Patienten (Donabedian, 1980, zitiert nach Wübker, 2007).
Dem dbl ist das Qualitätsmanagement in der logopädischen Versorgung ein zentrales Anliegen. Hier finden Sie Beispiele, die bei der Bewertung der Qualität der logopädischen Versorgung hinzugezogen werden:
Prozessqualität
Essentieller Bestandteil der logopädischen Versorgung sind die Diagnostik und Therapie.
Die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (International Classification of Functioning, Disability and Health, ICF) orientiert sich sowohl an Fähigkeiten und Ressourcen als auch an Störungen der Patient*innen (WHO, 2005). Dieses Verständnis von Rehabilitation ist die Voraussetzung für eine teilhabe- und ressourcenorientierte logopädische Diagnostik und Behandlung.
Die Ziele der logopädischen Diagnostik hängen von der spezifischen Fragestellung an die Untersuchung ab. Je nach Fragestellung kann es sich beispielsweise um folgende Ziele handeln:
- Erfassen der individuellen Symptome der Betroffenen
- Schweregradbestimmung einer Störung
- Ermittlung der Therapiebedürftigkeit
- Durchführung der Differenzialdiagnostik
- Bestimmen von Ressourcen und Umweltfaktoren
- Klären der Bedeutsamkeit des Problems aus Sicht der Betroffenen
- Therapieverlaufskontrolle und Nachweis von Therapieeffekten
Generell wird zwischen einer Querschnittdiagnose und einer Längsschnittdiagnose unterschieden. Die Querschnittdiagnose gibt Auskunft über den aktuellen Zustand, die Längsschnittdiagnose beinhaltet die Veränderungen, die sich im Laufe der Zeit entwickelt haben (Beushausen, 2007, 26).
Die vom Logopäd*innen gewählten Methoden der Diagnosefindung unterscheiden sich je nach logopädischem Störungsgebiet, Alter der betroffenen Person, Ätiologie und Krankheitsverlauf sowie individueller Therapiezielsetzung und diagnostischer Fragestellung. Bestandteil der logopädischen Befunderhebung ist neben der Anamnese (Eigen- bzw. Fremdanamnese) die spezifische Untersuchung mittels geeigneter Diagnostikverfahren.
Die Verfahren der Befunderhebung werden hypothesengeleitet ausgewählt. In der Ausbildung setzen sich Logopäd*innen mit den Zielsetzungen, der theoretischen Fundierung und Methodik von Screenings und Tests auseinander, lernen, sie mit Patient*innen durchzuführen, sie auszuwerten und zu interpretieren und eine logopädische Diagnose aus den Befunden abzuleiten, die als Grundlage für die Therapieplanung und damit zur Ableitung von Behandlungszielen dient. Eine interdisziplinäre Absprache bezüglich der Therapieziele, z.B. mit dem behandelnden Arzt/ der behandelnden Ärztin, gehört zum Alltag.
Leitlinien und Handlungsempfehlungen bieten eine sinnvolle Orientierungshilfe für die Therapieplanung und -evaluation.
Durch die Orientierung an medizinischen Leitlinien (LL) können Logopäd*innen die Transparenz ihres logopädischen Handelns gegenüber Kostenträger*innen und Ärzt*innen verbessern. Dementsprechend arbeiten Logopäd*innen bei der Erstellung von Behandlungsleitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) mit.
Der dbl hat im Jahr 2006/2007 das Projekt “Erstellung einer Synopse bereits veröffentlichter Behandlungsleitlinien” gestartet (Behandlungsleitlinien unter die Lupe genommen).
Um eine Sicherung der Behandlungsqualität gewährleisten zu können, besteht seit 2021 eine Fortbildungspflicht nach §124 Absatz 5 SGB V für alle Logopäden und Logopädinnen. Dabei sollen die Fortbildungen die „[…] Qualität der Behandlung mit den vereinbarten Heilmitteln, die Behandlungsergebnisse und die Versorgungsabläufe für Patientinnen und Patienten fördern bzw. positiv beeinflussen“ (Anlage 4 Fortbildungen zum Vertrag nach §125 Absatz 1 SGB V über die Versorgung mit Leistungen der Stimm-, Sprech-, Sprach- und Schlucktherapie und deren Vergütung vom 15.03.2021).
Strukturqualität
Ein wichtiger Bestandteil der Strukturqualität ist die Dokumentation. Es werden Handlungsschritte schriftlich fixiert, was zum Reflektieren, Systematisieren, Darstellen und Präsentieren der logopädischen Arbeit führt. Die Dokumentation ist eine wichtige Grundlage zum Nachweis der Effektivität des logopädischen Handelns. Sie kann analog in der Papierakte oder digital in der durch die Praxis genutzten Praxissoftware erfolgen. Die Dokumentationspflicht ist im Patientenrechtegesetz § 630f BGB fixiert. Dort wird ebenfalls die Aufbewahrungspflicht der Dokumentation für die Dauer von 10 Jahren nach Abschluss der Behandlung beschrieben. Patienten und Patientinnen haben zudem das Recht, auf Verlangen die betreffende Patientenakte einzusehen, wenn keine erheblichen therapeutischen Gründe oder erhebliche Rechte Dritter entgegenstehen (§ 630g BGB).
Der dbl stellt seinen Mitgliedern Berichtsformulare zum Download zur Verfügung (bitte einloggen). Dabei ist der Verordnungsbericht ein Kurzbericht, der neben den Personalien des/der Versicherten die Diagnosegruppe und therapeutische Diagnose, die Empfehlungen des Therapeuten/ der Therapeutin bezüglich formaler Anforderungen der weiteren Therapie sowie eine kurze Zusammenfassung des Therapieverlaufs und eine kurze Empfehlung zur weiteren Behandlung umfasst. Dieser wird von den Therapeut*innen ausgefüllt, wenn auf der Heilmittelverordnung das Kreuz bei „Therapiebericht“ gesetzt wurde.
Der behandelnde Arzt/ die behandelnde Ärztin kann darüber hinaus einmal pro Kalenderjahr einen ausführlichen Bericht anfordern. Dieser beinhaltet ausführliche Informationen zu therapeutischer Diagnostik, Statusfeststellung und Behandlung (Ziel, Inhalt, Verlauf, aktueller Stand, Compliance, Prognose, Empfehlung).
Hinweis: Die Berichtsformulare sind Bestandteil des Versorgungsvertrags, sodass diese unverändert bleiben müssen. Möglich ist: Ausdruck auf dem Praxisbogen oder Einfügung des Praxisbriefkopfs in der dafür vorgesehenen freien Fläche. Zu beachten ist allerdings, dass die unterste Zeile des jeweiligen Formulars erkennbar bleiben muss. Die vertraglich vereinbarte Leistung wird nur erfüllt und vergütet, wenn diese Formulare genutzt werden.
Ergebnisqualität
Um eine optimale Ergebnisqualität erreichen zu können, sollen die Prozesse der Struktur- und Prozessqualität von Logopädinnen und Logopäden regelmäßig beobachtet, bewertet und angepasst werden. Dazu zählt auch, die Therapie für jeden Patienten/ jede Patientin individuell zu gestalten und anzupassen, um das bestmögliche Ergebnis erreichen zu können.
Literatur
Beushausen, U. (2007). Testhandbuch Sprache: Diagnostikverfahren in Logopädie und Sprachtherapie. Bern: Huber.
Donabedian, A. (1980). The definition of Quality and Approaches to ist Assessment, Ann Arbor.
Wübker, A. (2007). Der Zusammenhang zwischen Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität in Deutschland – dargestellt für das Krankheitsbild des akuten Myokardinfarktes. In B.A. Kuchinke, T. Sundmacher & J. Zerth. Steuerungsprobleme im deutschen Gesundheitssystem. Aktuelle Ergebnisse empirischer Forschung. Universitätsverlag Ilmenau.