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Stottern

Stottern ist eine Störung des Redeflusses, bei der der Redefluss durch Wiederholungen, Dehnungen und Blockaden unterbrochen wird
Stottern löst Unsicherheiten und Vorurteilen aus – dies jedoch zu Unrecht, wie die Forschung der letzten Jahre gezeigt hat. So kann Stottern gezielt erkannt und bei Bedarf in allen Altersgruppen gut behandelt werden.
Auch das Wissen über Ursachen und Erscheinungsbild des Stotterns hilft, die Redeflussstörung zu erfassen und Betroffene sowie Eltern spezifisch zu beraten.

Ursachen

Nach heutigem Kenntnisstand ist Stottern zu einem großen Teil genetisch bedingt ist. Das bedeutet, dass eine Veranlagung zu stottern vererbt werden kann.

Diese Veranlagung scheint Auffälligkeiten im Gehirn zu verursachen. Dies wurde in bildgebenden Untersuchungen stotternder Proband*innen nachgewiesen. Die neurologisch bedingte Fehlsteuerung der Sprechmotorik bedingt zunächst die Kernsymptome.

Damit ist die früher verbreitete Theorie, dass ein bestimmtes Erziehungsverhalten oder negative Erlebnisse in der Kindheit Ursachen für Stottern sind wiederlegt.

Trotzdem ist nach wie vor nicht endgültig geklärt, warum manche Menschen Stottern und andere nicht. Eine klare Ursache, die auf alle stotternden Menschen zutrifft, gibt es nicht.

Die Häufigkeit und Ausprägung von Symptomen kann durch verschiedene Faktoren ausgelöst, aufrechterhalten oder sogar verstärkt werden, bspw. durch einen tabuisierenden Umgang mit Stottern oder vermeintlich gut gemeinte Ratschläge wie „Sprich langsam“

Stottern ist keine psychische oder intellektuelle Störung.


Häufigkeit

Ungefähr 5% aller Kinder stottern.

Diese Phase hält meist über einen kurzen Zeitraum an. So liegt die Chance einer Überwindung der Störung im ersten Jahr nach Stotterbeginn bei 70 bis 80%.
Auch nach diesem Zeitraum sind Remissionen (Rückgänge) möglich. Je länger das Stottern andauert, desto geringer fällt jedoch die Remissionswahrscheinlichkeit aus. Allerdings lässt sich für ein einzelnes Kind bisher noch keine sichere Vorhersage treffen, ob es sein Stottern überwinden wird oder nicht. Es gibt eine Reihe von Faktoren, die eine Überwindungswahrscheinlichkeit beeinflussen, darunter auch die familiäre Disposition und das Geschlecht. Studien konnten zeigen, dass der Anteil an Jungen mit Sprechunflüssigkeiten etwas höher ist, als der Anteil der Mädchen (Yairi 1981 in Neumann et al., 2016).

Im Erwachsenenalter stottert ca. 1 % der Bevölkerung, dabei sind mehr Männer als Frauen betroffen (4:1).

Oft werden auch Mischformen von Poltern und Stottern mit unterschiedlichen Gewichtungen der beiden Störungen beobachtet.


Symptome

Man unterscheidet beim Stottern zwischen Kernsymptomen und Reaktionen auf diese, sog. Begleitsymptome bzw. Copingstrategien.

Die Kernsymptome beim Stottern sind:

  • unfreiwilligen Wiederholungen von Lauten, Silben und/oder Teilworten (Ka-ka-ka-katze)
  • Dehnungen (Verlängerungen) von Lauten (Mmmmmmaus) und
  • Blockierungen, bei denen die Sprechbewegung völlig „steckenbleibt“ (——–apfel) und die Atmung, die Artikulation und die Phonation ausbleiben.

Die Reaktionen auf diese Kernsymptome sind ein gelerntes Verhalten und entstehen aus dem Versuch heraus, die Kernsymptomatik zu überwinden oder ihnen vorzubeugen. Diese Reaktionen können sehr vielfältig sein und zum Teil ein für die Sprecher sehr belastendes Ausmaß erreichen. Zu beobachten sind (aus Neumann et. al., 2016, S. 35-36):

  • Gepresster Stimmklang, Ansteigen von Lautstärke oder Tonhöhe, Tremor
  • Forcierte oder unregelmäßige Ein- oder Ausatmung beim Sprechen; Atemvorschub (vor dem ersten Laut wird hörbar Luft abgeblasen); inspiratorisches Stottern
  • Mitbewegungen in Mimik, Gestik, Rumpf und Extremitäten
  • Flüstern, rhythmisierendes oder skandierendes Sprechen, Singsang, inspiratorisches Sprechen (Sprechen während der Einatmung)
  • Vorbeugendes Umschreiben, Umformulierungen, Ersetzen gefürchteter Wörter (sprachliches Vermeidungsverhalten)
  • Einschieben von Lauten, Silben, Wörtern und Floskeln „ge-äh-ge-äh-kommen“; „Und also mal dann also mal bin ich also mal nach Hause“
  • Themenänderungen, Kommunikationsabbruch, verbales Kommentieren, z. B. „Das geht gerade nicht.“
  • Satzabbrüche, Phrasenwiederholungen, Stop-and-Go-Mechanismen (Zurückprallen) „Da sind wir (stop)…(go) sind wir nicht mehr rangekommen.“
  • Situative Vermeiden: vorgeben, kein Interesse an der Sprechsituation zu haben; schriftlich (Internet, SMS) statt verbal kommunizieren
  • Wortängste, Lautängste, generalisierte Sprechangst, Verlegenheitslachen, sich abwenden, Mund hinter der Hand verbergen, Abbruch des Blickkontaktes, nesteln
  • Erröten, Schwitzen, Tachykardie (schneller Herzschlag)
  • Vermeidung von Situationen, keine mündliche Mitarbeit in der Schule
  • Emotionale Reaktionen, psychosoziale Belastung: Sprechangst, Scham, Wut, Frustration, Hilflosigkeit in Verbindung mit Stottern und Sprechen
  • Negative Bewertung des eigenen Sprechens, vermindertes Selbstwertgefühl, pessimistische Einschätzung der eigenen sozialen Kompetenz, exzessive Vorbereitung auf Gesprächssituationen

Die Verkettung von Kernsymptomen und Reaktionen darauf können rasch zu einem sich selbst verstärkenden Kreislauf werden, den negative psychische Reaktionen wie sprechbezogene Ängste und/oder Schamgefühle antreiben. Stress und negative Emotionen beim Sprechen erhöhen wiederum die Auftretenswahrscheinlichkeit des Stotterns.

Die Verkettung von Kernsymptomen und Reaktionen darauf können rasch zu einem sich selbst verstärkenden Kreislauf werden, den negative psychische Reaktionen wie sprechbezogene Ängste und/oder Schamgefühle antreiben. Stress und negative Emotionen beim Sprechen erhöhen wiederum die Auftretenswahrscheinlichkeit des Stotterns. Die Symptomatik des Stotterns kann sowohl situativ auch als phasenweise stark schwanken, was den Umgang damit für Betroffene erschwert.


Was können Eltern tun?

Eltern stotternder und polternder Kinder sollten dem Erstauftreten der Symptomatik mit Gelassenheit begegnen.
Das stotternde oder polternde Sprechen des Kindes sollte zunächst wie normales Sprechen angenommen werden.

Wichtig ist, sich auf den Inhalt des Gesagten und nicht auf die Form zu fokussieren. Hilfreich für die Betroffenen ist es bewusst Blickkontakt zu halten und dem Kind Zeit zu geben, auszusprechen. Verbalisiert das Kind negative, sprechbezogene Gefühle oder ist verunsichert, ist es wichtig, mit ihm darüber zu sprechen und die Sprechunflüssigkeit nicht zu tabuisieren. Hält die Phase des unflüssigen Sprechens an oder verstärkt sich und reagiert das Kind negativ darauf, sollten Eltern das Gespräch mit dem Kinderarzt/ der Kinderärztin suchen. Anhand eines Leitfadens für Redeflussstörungen oder der Leitlinie für Redeflussstörungen kann dann entschieden werden, inwieweit therapeutischer Behandlungsbedarf besteht.

Wichtig für den Erfolg der Therapie ist, neben der Therapie mit dem Kind, die Elternarbeit.

Eltern sollten dazu bereit sein, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und die Redeflussstörung ihres Kindes zu akzeptieren.

Informationen und Unterstützung zur Therapeutensuche bekommen Sie bei der Bundesvereinigung Stottern & Selbsthilfe e.V. (BVSS).


Was können Betroffene tun?

Ältere Kinder, Jugendliche und Erwachsene begleitet das Stottern und/oder Poltern meist schon über eine längere Zeit. Die ohnehin vorkommenden Schwankungen der Symptomatik können durch besondere Umstellungen im Alltag, wie Schulwechsel, Jobwechsel, Lebensereignisse wieder verstärkt werden.

Sobald Stottern und/oder Poltern in der Kommunikation und im Verhalten im Alltag als hinderlich erlebt wird, ist eine Beratung und ggf. Therapie erforderlich.

Betroffene sollten sich hierfür an eine auf Redeflussstörungen spezialisierte, logopädische/sprachtherapeutische Praxis oder Einrichtung wenden.

Die dbl-Website bietet eine gute Hilfe zur Logopädensuche, ebenso können die jeweiligen Landesverbände des dbl regionale Informationen zu geeigneten Logopäden und Logopädinnen geben. Erfahrene Stotter-/Poltertherapeuten mit Angabe ihrer Arbeitsschwerpunkte sind auch im Therapeutenverzeichnis der BVSS (Bundesvereinigung der Stotterer Selbsthilfe) vertreten. International gibt es die “International Cluttering Association” (ICA), deren Vertreter gerne angeschrieben werden können.


Literatur und Material

BVKJ (Hrsg.) (2016). Stottern. Ein Leitfaden für die kinder- und jugendärztliche Praxis.

Natke, U. & Kohmäscher, A. (2020). Stottern: Wissenschaftliche Erkenntnisse und evidenzbasierte Therapie. Neuss: Natke-Verlag

Neumann, K., Euler, H.A., Bosshardt, H.G., Cook, S., Sandrieser, P., Schneider, P., Sommer, M. & Thum, G.* (Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie) (2016). Pathogenese, Diagnostik und Behandlung von Redeflussstörungen. Evidenz- und konsensbasierte S3-Leitlinie, AWMF-Registernummer 049-013, Version 1; www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/049-013.html. *im Auftrag der Leitliniengruppe

Sandrieser, P. & Schneider, P. (2015). Stottern im Kindesalter. Stuttgart: Thieme.

Schneider, P. (2013). Stottern bei Kindern erfolgreich bewältigen. Neuss: Natke Verlag

Wendler, J. & Appel, H. (2005). Lehrbuch der Phoniatrie und Pädaudiologie. Stuttgart: Thieme, S. 306.

dbl-Materialien


Behandlungsleitlinie

Die Verlinkung zur aktuellen Leitlinie zum Thema „Redeflussstörungen“ finden Sie hier.


Fachzeitschriften:

Fachorganisationen:

Institute:

Selbsthilfe:

Sonstige:


Weiteres für Fachpersonen
Literatur

 

Unseren Mitgliedern bieten wir alle Artikel, die seit 2002 in unserer Zeitschrift forum:logopädie zum Thema „Stottern“ veröffentlicht wurden, sowie eingereichte Abschlussarbeiten und Artikel über unsere Datenbank an. Dazu einfach einloggen und in das Suchfeld „Stottern“ eintippen und auf „Dokumente filtern“ klicken. (Eingeloggte Mitglieder können alle Artikel lesen, Nicht-Mitglieder sehen von den Artikeln der letzten 2 Jahre nur die Abstracts)

 

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Arbeitskreis “Stottern”

 

Wenn Sie den fachlichen Austausch mit Kollegen und Kolleginnen suchen, dann setzen Sie sich mit dem Arbeitskreis in Verbindung.

 

 

 


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