Palliative Care ist ein ganzheitliches Betreuungskonzept zur Begleitung Schwerstkranker, Sterbender und deren Angehörige und bezieht sich nicht nur auf die Finalphase (End-of-Life Phase). Die Definition der WHO (2002) lautet:
“Palliative Care ist ein Ansatz zur Verbesserung der Lebensqualität von Patienten und ihren Familien, die mit Problemen konfrontiert sind, die mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung einhergehen, und zwar durch Vorbeugen und Lindern von Leiden, durch frühzeitiges Erkennen, Einschätzen und Behandeln von Schmerzen sowie anderer belastender Beschwerden körperlicher, psychosozialer und spiritueller Art.”
Die Kombination aus körperlichen, psychosozialen und spirituellen Beschwerden fußt auf dem Total Pain Model von Cicely Saunders, welches sie in den 1960iger Jahren veröffentlicht hat. Dieses Konzept geht von einem völligen Schmerz aus, den Betroffene erleben. Diese erleben Leid auf allen Ebenen: körperlich, psychisch, sozial und spirituell.
Davon ausgehend zeichnet sich die Palliative Logopädie durch folgende Aspekte aus:
- Sie zielt mit ihrer Therapie auf den neuro-palliativen, onkologisch-palliativen, geriatrisch-palliativen sowie den pädiatrisch-palliativen Bereich ab.
- Sie steht für Fachkompetenz als Basis für fundierte Entscheidungen im Behandlungsprozess (z.B. Kenntnisse über die Mechanismen und mutmaßlichen Verläufe der Erkrankung [speziell für den neurologischen Bereich die neuromuskulären Erkrankungen]).
- Sie versteht Essen und Trinken, sowie Kommunikation als Grundbedürfnisse, die es zu stillen gilt in Abhängigkeit der individuellen Bedürfnislage des Betroffenen und seiner Lebensphase. Sie erkennt dabei die Grenzen ihrer therapeutischen Maßnahmen an und setzt sich mit diesen auseinander.
- Sie formuliert alltagsrelevante Ziele, die sich an der aktuellen Lebensführung orientieren.
- Sie sucht den Diskurs zu übergreifenden Themen: Ethik, Recht und Lebensqualität.
- Sie gleicht die Erwartungen aller am Therapieprozess Beteiligten ab.
- Sie sieht die interdisziplinäre Zusammenarbeit als Bereicherung und Ressource.
- Sie thematisiert die grundsätzliche Ungewissheit.
- Sie stellt die Selbstfürsorge in den Fokus der therapeutischen Haltung.
- Sie eröffnet den Raum für Forschungsfragen für die Weiterentwicklung palliativ-logopädischer Fragestellungen (vgl. Winterholler 2021, Band 1, S. 17)
Die palliativ-logopädische Versorgung von Betroffenen im palliativen Kontext besonders im ambulanten Bereich ist noch keine Selbstverständlichkeit.
Schluck-, Sprach-, Sprech-, Stimm- und Atemstörungen treten bei schwerstkranken Patient*innen häufig auf.
Nach Bausewein et al. (2015) liegt die Prävalenz zum Beispiel für Schluckstörungen bei 90%. Obwohl das Essen und Trinken und die Kommunikation Aspekte eines gelingenden Alltags sind, arbeiten Logopäd*innen noch selten im palliativen Versorgungsbereich.
Ausgewählte Handlungsfelder
Unterstützung bei Schluckstörungen (Dysphagien)
Die nahrungs- und getränkebezogenen Wünsche und Bedürfnisse von Menschen mit Schluckstörungen im palliativen Setting zu stillen, ist ein zentraler Aspekt der palliativ-logopädischen Begleitung. Die Palliative Logopädie setzt sich für ein würdevolles Essen und Speiseangebot ein.
Palliativ-logopädische Maßnahmen können zum Beispiel sein:
- Anpassung der Nahrungs- und Flüssigkeitskonsistenzen an die aktuelle Schluckfähigkeit
- Veränderungen der Kopf- bzw. Körperhaltung
- Beratung zu und Auswahl von Hilfsmitteln
- Ressourcenorientierte Mundpflege
Unterstützung bei Sprach-, Sprech- und Stimmstörungen
Neben dem Schlucken und der Atmung kann auch die Kommunikation in den letzten Lebensphasen erschwert sein. Logopäd*innen ordnen kommunikative Einschränkungen und bestehende kommunikative Fähigkeiten mit Hilfe einer angepassten Diagnostik ein und unterstützen Betroffene und Angehörige in ihren individuellen kommunikativen Anlässen. Mit alltagsorientierten, spezifischen Angeboten werden kommunikative Fähigkeiten mit allen vorhandenen Ressourcen angeregt.
Bausewein, C., Roller, S., Voltz, R. (2015). Leitfaden palliative Care. München: Elsevier Verlag
Freudricht, L., Sommer, J. & Tisch, W. (2014). Logopädie in der Palliativmedizin. Forum Logopädie, 28 (6), S. 35-41
Kelly, K. (2019). The Role of Speech-Language Pathologists in Palliative Care: Exploring the Issues and Reaching Consensus. ses.library.usyd.edu.au/bitstream/handle/2123/21301/Kelly_K_Thesis.pdf
Regelmann, E. & Beushausen, U. (2022). Logopädie in palliativen Therapiesettings: Amyotrophe Lateralsklerose (ALS). Sprache · Stimme · Gehör, 46 (01), S. 41-43
Schwerpunktausgabe zur Palliativen Logopädie: Forum Logopädie 2: 2021: 35. Jahrgang
Winterholler, C. & Barthel, M. (2022). Palliative Care: Palliative Logopädie. Ein Ratgeber für Interessierte. Idstein: Schulz-Kirchner
Winterholler, C. (2021). Palliative Logopädie. Band 1-3. Heidelberg: Springer
dbl-Materialien
Die Verlinkung zur aktuellen Leitlinie zum Thema „palliative Logopädie“ finden Sie hier.