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Knowledge Base | 03.01.2025
Aphasie
Eine Aphasie ist eine erworbene zentrale Sprachstörung, die durch Schädigung des Gehirns hervorgerufen wird.
Alle Bereiche und Modalitäten der Sprache (die Lautstruktur (Phonologie), der Wortschatz (Lexikon), die Bedeutung (Semantik) und der Satzbau (Syntax)) können in unterschiedlichem Ausmaß beeinträchtigt sein. Sowohl die rezeptiven (Sprachverständnis) als auch die expressiven (Sprachproduktion) Fähigkeiten können betroffen sein. Somit können das Sprechen und Verstehen der Lautsprache oder auch das Lesen und Verstehen geschriebener Sprache erschwert und je nach Schweregrad der Beeinträchtigung sogar kaum noch möglich sein. Diese zumeist plötzlich auftretenden sprachlichen Defizite haben häufig weitreichende und teilweise lang andauernde Folgen für das familiäre, soziale und berufliche Leben der Betroffenen und ihrer Angehörigen.
Aphasien können als Folge verschiedene Hirnschädigungen auftreten.
Bei Erwachsenen ist eine zerebrale Durchblutungsstörung (Schlaganfall/vaskuläre Ursache) mit mehr als 80% die Hauptursache. Weitere Ursachen sind das Schädelhirntrauma, Tumore, Entzündungen des Gehirns, Sauerstoffmangel, Epilepsie (vor allem bei Landau-Kleffner-Syndrom) und hirnatrophische Prozesse (“Abbau des Gehirns”).
Schätzungsweise 80.000 Menschen in Deutschland erleiden pro Jahr eine zerebrovaskulär (durch Schlaganfall) bedingte Aphasie.
Bei mehr als 1/3 der Betroffenen bildet sich die Aphasie nicht vollständig zurück.
270.000 Menschen in Deutschland erleiden jedes Jahr eine Schädelhirnverletzung – bei einem Unfall im Straßenverkehr, am Arbeitsplatz, im Haushalt oder bei Spiel und Sport. Knapp die Hälfte der Unfallopfer ist unter 25 Jahren. 35.000 Kinder sind jünger als 5 Jahre.
In Deutschland erkranken ungefähr 3000 Kinder/Jugendliche bis zum 15. Lebensjahr an einer Aphasie, so der Bundesverband für die Rehabilitation der Aphasiker. Die Zahl der nicht erkannten und erfassten Aphasien wird deutlich höher geschätzt (Friede, 2020).
Lautebene (Phonologie) |
Wortschatz (Lexikon/Semantik) |
Grammatik (Morphologie/Syntax) |
Lesen und Schreiben (Schriftsprache) |
phonematische Paraphasien:
- Lautauslassungen (z.B. Apel statt Ampel)
- Lautersetzungen (z.B. Bosen statt Besen)
- Lautergänzungen (z.B. Bansane statt Banane)
- Lautumstellungen (z.B. Tefelon statt Telefon)
Die oben aufgeführten Lautveränderungen können einzeln, aber auch in Kombination und auch bei mehreren Lauten auftreten. Teilweise werden Worte so stark verändert, dass sie vom Gesprächspartner nicht mehr verstanden werden. |
semantische Paraphasien:
- Es werden Wörter verwendet, die dem gewünschten Inhalt nicht ganz entsprechen (z.B. Stuhl statt Tisch)
Wortfindungsstörungen
- Unterbrechungen des Redeflusses
- Satzabbrüche
Umschreibungen |
Agrammatismus:
- Verkürzter und vereinfachter Satzbau (z.B. Schlaganfall gehabt… im Krankenhaus gewesen… zwei Wochen)
- Nutzung vieler Nomen und Verben (z.B. Zeitung lesen, Skifahren Österreich)
- Häufig Auslassen von Artikeln, Konjunktionen und Präpositionen
- Verben werden oft in der Grundform verwendet (z.B. Krankenhaus fahren)
Paragrammatismus
- Flüssiges Sprechen mit langen und komplexen Sätzen
- Sätze werden ineinander verschränkt und Satzteile verdoppelt (z.B. Die bei mir ist die rechte Seite… Arme Beine die gesamte rechte Seite ist zurzeit nicht optimal“
- Satzabbrüche
Fehlerhafte Verbflexion
|
Tiefendyslexie:
- Nur hochbekannte Wörter werden erkannt
- Wörter können nicht Buchstabe für Buchstabe gelesen werden
Oberflächendyslexie:
- Jedes Wort wird Buchstabe für Buchstabe gelesen
- Ein Erkennen des ganzen Wortes ist nicht möglich
- Je länger das Wort ist, desto mehr Fehler können beim Lesen auftreten
Beim Lesen können Fehler beim Vorlesen und beim Verstehen auftreten.
Die Symptome beim Lesen können sich in ähnlicher Weise beim Schreiben zeigen. Es kann z.B. zu Buchstabenvertauschungen und –auslassungen kommen. |
Neben den Symptomen auf den linguistischen Ebenen (Phonologie, Semantik, Lexikon, Morphologie, Syntax) treten auch sogenannte „repetitive Phänomene“ auf, wie z.B. Sprachautomatismen (z.B. mamamama … mö mö), Stereotypien (feste Redefloskeln mit wenig Inhalt, z.B. „ach du meine Güte“), Perseverationen (ungewolltes Wiederholen von Lauten, Silben, Wörtern oder Sätzen) und Echolalien (unbeabsichtigtes Wiederholen von zuvor Gesagtem: „Was haben Sie dann gemacht?“ – Antwort: „Was haben Sie dann gemacht?“).
Zusätzlich zu den Störungen der Sprache (Sprechen, Verstehen, Lesen und Schreiben) können bei Patienten und Patientinnen mit Aphasie Störungen in Pragmatik und Kommunikation auftreten.
Pragmatische Störungen äußern sich dadurch, dass Betroffene die Organisation von Gesprächen nicht mehr gut einhalten können. In einem Gespräch wechseln sich die beteiligten Gesprächspartner mit ihren Äußerungen immer wieder ab (turn-taking). Gesprächspartner mit Aphasie haben zum Teil Schwierigkeiten dieses Abwechseln einzuhalten, sie geben die Sprecherrolle dann entweder nicht ab oder es entstehen überlange Pausen, die für den Gesprächspartner unangenehm sein können. Zudem können Betroffene ihre Redeabsichten in Gesprächen oft nicht schnell genug vermitteln, sie machen dann häufig die Erfahrung, dass das Thema schon gewechselt hat, bevor sie ihre Meinung dazu äußern konnten.
Es kann aber auch schwierig sein bei einem Thema zu bleiben oder den roten Faden in einem Gespräch beizubehalten, wenn z. B. Sprachverständnisstörungen oder -unsicherheiten vorliegen.
In der Regel ist aber, auch bei Betroffenen mit schweren Aphasien, das Wissen darüber, wie man Gespräche führt, erhalten.
Was können Betroffene und Angehörige tun?
Tipps für Angehörige und weitere Gesprächspartner:
Bei Menschen mit Aphasie können alle Bereiche der Kommunikation – Verstehen, Sprechen, Lesen und Schreiben – beeinträchtigt sein. Die Betroffenen haben aber nach wie vor Gedanken, Wünsche, Erfahrungen und Wissen, das sie äußern und in die Kommunikation mit anderen Menschen einbringen möchten. Die Gesprächspartner können Menschen mit Aphasie bei dieser Absicht unterstützen.
- Offenheit für nichtsprachliche Mittel zur Übermittlung von Informationen (z.B. durch Gesten, Bilder, Zeichnungen, …)
- Ruhige Atmosphäre für Gespräche schaffen (Vermeidung von Stress, Unterstützung von Ruhe und Fokussierung in Gesprächssituationen)
- Bei Nicht-Verstehen nachfragen: ggf. Absicherung durch Entscheidungsfragen, die Betroffene mit Ja oder Nein beantworten können
- Bei Bedarf im Gespräch kurze und einfache Sätze verwenden, schwierige Wörter vermeiden
- Gestik, Mimik und Schriftsprache mit einbeziehen
- NICHT in Babysprache verfallen
- Unterstützung der Betroffenen in Gesprächen mit anderen, wenn dies erwünscht ist
Ansprechpartner sind behandelnde Ärzten und Ärztinnen bzw. Neurologen und Neurologinnen, sowie Logopädinnen und Logopäden. Sie bieten je nach Spezialisierung kompetente Hilfe und Unterstützung bei Fragen. In einer Aphasie-Selbsthilfegruppe finden Betroffene und Angehörige weiteren Rat und Unterstützung. Beim Bundesverband für die Rehabilitation der Aphasiker (www.aphasiker.de) gibt es neben den Adressen der Selbsthilfegruppen umfangreiches Informationsmaterial.
Des Weiteren finden Eltern betroffener Kinder und Jugendliche Informationen und Hilfe bei folgenden Organisationen/Einrichtungen:
Die Schlaganfall-Hilfe bietet mit dem Schlaganfall-Kinderlotsen Beratung für Eltern an.
Kindernetzwerk für kranke und behinderte Kinder und Jugendliche in der Gesellschaft: Auf der Internetseite finden betroffene Eltern eine umfangreiche Datei mit weiterführenden Adressen und verständlichen Informationen zu 2.000 Schlagworten. Egal ob es sich um andere Betroffene, um Eltern- Selbsthilfegruppen oder um Zentren oder gezielte Literatur handelt, das Kindernetzwerk hält mit rund 130.000 vernetzten Daten auf fast jede Anfrage passende weiterführende Informationen bereit.
Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Eine aktuelle Liste mit den Adressen der Frühförderstellen in Deutschland bietet die Datenbank des bmas.
Bundesverband für die Rehabilitation der Aphasiker: Das Projekt “Hilfen für Kinder mit Aphasie” wird seit 2004 vom Bundesverband für die Rehabilitation der Aphasiker e.V. (BRA) deutschlandweit durchgeführt. Projektpartner ist die ZNS Hannelore Kohl Stiftung. Ein weiteres gemeinsames Projekt ist die “Beschulung aphasischer Kinder”.
Kinderneurolgie Hilfe Münster: Die Kinderneurologie-Hilfe Münster eV.. (KNH) wurde ursprünglich als Elternvereinigung gegründet und setzt sich seit 1985 für neurologisch erkrankte Kinder und deren Familien ein.
Friede, S. & Kubandt, M. (2011). Diagnostik der Aphasie bei Kindern und Jugendlichen. Überblick, Möglichkeiten und Grenzen. Forum Logopädie, Heft 6, S. 18-25.
Friede, S. (2020): Aphasie bei Kindern und Jugendlichen – Definition, Charakteristik, Diagnostik, Verlauf und Konsequenzen für Schule und Alltag. Sprachförderung und Sprachtherapie in Schule und Praxis 9(3), 138-149.
Tesak, J. (2006). Einführung in die Aphasiologie. Stuttgart: Thieme.
Huber, W., Poeck, K, Springer, L. (2006). Klinik und Rehabilitation der Aphasie. Eine Einführung auch für Angehörige und Betroffene. Stuttgart: Thieme
Schröder, C., Stadie, N. (2009). Kindliche Aphasie: Eine Fallbeschreibung. Sprachheilarbeit, Heft 4, S. 146-157.
Ziegler, W. (2012). Qualitätskriterien und Standards für die Therapie von Patienten mit erworbenen Störungen der Sprache (Aphasie) und des Sprechens (Dysarthrie) der Gesellschaft für Aphasieforschung und -behandlung (GAB) und der Deutschen Gesellschaft für Neurotraumatologie und Klinische Neuropsychologie (DGNKN), 5. Auflage, Stuttgart: Thieme
dbl-Materialien
Die Verlinkung zur aktuellen Leitlinie zum Thema „Aphasie“ finden Sie hier.
Lauer, N., Grötzbach, H., Abel, S. (2013): Wort für Wort zurück ins Leben – Beispiele für die Aphasie, ICF-basierte Therapieziele erstellen
Fachzeitschriften:
- Aphasiology – Aphasiology is concerned with all aspects of language impairment and related disorders resulting from brain damage
- Aphasie und verwandte Gebiete – Bulletin der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für Aphasie
- Brain and Language – An interdisciplinary journal
- Schlaganfall Magazin – Zeitschrift für Freunde und Förderer der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe
- Aphasie und Schlaganfall – Zeitschrift für Rehabilitation und Selbsthilfe – Organ des Bundesverbandes für die Rehabilitation der Aphasiker e.V.
Fachorganisationen:
Institute:
Selbsthilfe:
Sonstige:
Literatur
Unseren Mitgliedern bieten wir alle Artikel, die seit 2002 in unserer Zeitschrift forum:logopädie zum Thema „Aphasie“ veröffentlicht wurden, sowie eingereichte Abschlussarbeiten und Artikel über unsere Logopädie-Datenbank an. Dazu einfach einloggen, in das Suchfeld „Aphasie” eintippen, die Kategorie “Erwachsene” oder “Kinder” auswählen und auf „Dokumente filtern“ klicken. (Eingeloggte Mitglieder können alle Artikel lesen, Nicht-Mitglieder sehen von den Artikeln der letzten 2 Jahre nur die Abstracts)
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Mitgliederportal (nur für Mitglieder)
Hier werden Fragen aus der Praxis diskutiert und Unterstützung durch Kollegen und Kolleginnen eingeholt. So ist kollegiale Beratung und praxisübergreifendes Arbeiten möglich.
Arbeitskreis “Aphasie”
Wenn Sie den fachlichen Austausch mit Kollegen und Kolleginnen suchen, dann setzen Sie sich mit dem Arbeitskreis in Verbindung.
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