Poltern
Poltern im Kindesalter zeigt sich wie auch bei Erwachsenen in schnellem und / oder unregelmäßig (irregulär) schwankendem Sprechtempo. Es treten dabei Auslassungen, Verschmelzungen und artikulatorische Veränderungen von Lauten, Silben, Wörtern und Phrasen auf.
Beispiel
"chamand brochen" (Ich habe mir meine Hand gebrochen).
Das Sprechen wird dadurch schwer verständlich, phasenweise unverständlich. Im Kindesalter ist Poltern sehr oft mit Störungen der Sprachentwicklung kombiniert. Zum Beispiel treten im Rahmen einer Sprachentwicklungsstörung bestehende Aussprachestörungen kombiniert mit der beschriebenen Poltersymptomatik auf und sind nicht immer klar voneinander abzugrenzen. Polternde Kinder zeigen häufig Unflüssigkeiten in Form von Wiederholungen von Silben, Wörtern und Satzteilen, oder lockeren Lautwiederholungen, Satz- und/oder Wortabbrüchen die das normale Maß überschreiten. Die bei polternden Erwachsenen teilweise auftretenden Schwierigkeiten in der Strukturierung sprachlicher Inhalte sind bei jüngeren polternden Kindern nicht eindeutig von einer Sprachentwicklungsstörung abzugrenzen. Poltern verstärkt sich oft zu Beginn der Pubertät.
Poltern beitragen können, wie z.B. massiv erhöhtes Sprechtempo der Eltern. Die Sprechmotorik (orale Diadochokinese = schnelle Silbenfolgen und Mundmotorik) Fähigkeiten zur Verlangsamung des Sprechtempos, Kommunikationsverhalten und Leidensdruck von Kindern und deren Eltern sind weitere Themen der logopädischen Diagnostik. Mit den Eltern wird der so erhobene Befund besprochen und darauf aufbauend werden Therapieziele und Therapieinhalte geplant.
Grundsätzlich ist bei Poltern im Kindesalter von den gleichen Ursachen wie im Erwachsenenalter auszugehen. Derzeit wird diskutiert, ob Poltern dadurch zustande kommt, dass im Gehirn neurophysiologische Aktivierungen in primär motorischen und praemotorischen Arealen sowie den Basalganglien von der Norm abweichen. Dies bedeutet, dass sprachliche Äußerungen, bevor ihre Planung abgeschlossen ist, bereits gesprochen werden. Die genauen Ursachen sind allerdings noch nicht hinreichend sicher geklärt. Poltern ist keine psychische Störung.
Aktuelle Untersuchungen zur Auftretenshäufigkeit gibt es nicht. In einer Studie aus den 70er Jahren wurde die Auftretenshäufigkeit mit knapp 0,8% beschrieben, also höher als im Erwachsenenalter (0,4%).
Bei Verdacht auf Poltern ist nach ärztlicher Verordnung eine logopädische Diagnostik durch eine LogopädIn mit dem therapeutischen Schwerpunkt „Stottern/ Poltern“ sinnvoll. Bei Kindern im Vorschulalter und frühen Grundschulalter werden zunächst einmal alle Bereiche der Sprachentwicklung wie Aussprache, Wortschatz, Grammatik und Sprachverständnis und Bereiche der Hörverarbeitung (auditive Verarbeitung) logopädisch untersucht. In der Anamnese werden neben der aktuellen Symptomatik und der sprachlichen Entwicklung auch Faktoren erfragt, die zur Aufrechterhaltung von Poltern beitragen können, wie z.B. ein erhöhtes Sprechtempo der Eltern. Die Sprechmotorik (orale Diadochokinese = schnelle Silbenfolgen und Mundmotorik), Fähigkeiten zur Verlangsamung des Sprechtempos, das Kommunikationsverhalten und der Leidensdruck von Kindern und deren Eltern sind weitere Themen der logopädischen Diagnostik. Mit den Eltern wird der so erhobene Befund besprochen und darauf aufbauend werden Therapieziele und Therapieinhalte geplant.
Bei Kindern im Vorschulalter und frühen Grundschulalter wird, sobald in diesen Bereichen Defizite auftreten, zuerst an Sprachverständnis, Aussprache, Grammatik und Wortschatz sowie grundlegendem Kommunikationsverhalten gearbeitet, wie z.B. sich beim Sprechen abwechseln, oder Zuhören lernen. Die Arbeit in diesen Bereichen wird so gestaltet, dass sie indirekt zur Verbesserung des Polterns beiträgt.
Wenn ein Kind den Aufbau von Wörtern durch Silben lernt, verbessert das die Aussprache und trägt auch zur Verlangsamung des Sprechtempos bei.
Eltern werden in die Therapie eingebunden und lernen, helfend auf auftretende Poltersymptome zu reagieren und gut verständliches Sprechen beim Kind positiv zu verstärken. Übungen zur Mundmotorik und schneller, deutlicher Aussprache (orale Diadochokinese) sind ein weiterer Therapiebereich. Gemeinsam mit den Eltern wird daran gearbeitet, Verhalten, das Poltern verstärkt, zu reduzieren. Beispielsweise, indem Eltern ihr zu hohes Sprechtempo in der Kommunikation mit dem Kind nach ihren Möglichkeiten verlangsamen und den Lebensalltag des Kindes strukturieren und Hektik und Stress vermindern.
Ergänzende sprachfreie, körperliche Übungen, wie Koordination und Wechselbewegungen über die Körpermitte zu trainieren, können positive Effekte haben.
Ab einem Alter von ca. 9-10 Jahren sind die Inhalte des Kindertherapie denen der Erwachsenen sehr ähnlich. Das ältere polternde Kind oder der Jugendliche lernt, sein Sprechen in ihm wichtigen Situation zu kontrollieren und eine grundlegende Besserung seiner Symptomatik zu erreichen. Dies geschieht, angepasst an die persönliche Poltersymptomatik, durch Übungen zur Wahrnehmung der Symptome, zur sofortigen Korrektur gepolterer Sprache, zum Umgang mit verschiedenen Sprechgeschwindigkeiten und sprachliche Strukturierungsübungen. Die Therapieinhalte werden in das "echte Leben" (In-vivo Training) übertragen, so dass die Therapieeffekte nachhaltig sind.
Eine echte "Vorbeugung" gibt es nicht. Hilfreich ist alles Verhalten, dass flüssiges, verständliches Sprechen fördert. Dies bedeutet, individuell zu beobachten, in welchen Situationen das Kind am besten spricht, z.B. bei kurzen Äußerungen im Spiel oder bei Fragen, die es zu einer Geschichte stellt. Solche Situationen sollten verstärkt ins tägliche Leben eingeplant werden. Unterstützend kann es hilfreich sein, den Alltag des Kindes zu strukturieren, durch z.B. feste Essens- und Schlafenszeiten, die Vorankündigung von Ereignissen oder auch die Erstellung eines angemessenen "Terminkalenders".
Eine erste Abklärung erfolgt über den Kinderarzt, Phoniater oder HNO-Arzt oder eine Beratungsstelle wie Sozialpädiatrische Zentren oder Sprachambulanzen in Gesundheitsämtern. Bei Bedarf ist eine intensivere Beratung durch eine auf Poltern/ Stottern spezialisierten LogopädIn sinnvoll. Der dbl ist bei der Suche gerne behilflich.
Sick, U. (2004). Poltern. Theoretische Grundlagen. Diagnostik und Therapie. Stuttgart: Thieme.
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