Knowledge Base | 01.06.2025
Selbstverwaltung und Logopädie
Macht, Möglichkeiten und Grenzen
Veränderungen in der Vergütung, den Versorgungsverträgen oder den Arbeitsbedingungen in der Logopädie sind das Ergebnis komplexer Verhandlungsprozesse. Wer in diesen Prozessen mit am Tisch sitzt – und wer nicht – bestimmt maßgeblich darüber, was durchsetzbar ist und wo wir als Berufsstand an strukturelle Grenzen stoßen. Der Begriff „Selbstverwaltung“ ist dabei zentral – und oft missverstanden. Unser Fokusmonat Juni beschäftigt sich deshalb mit diesem Thema und bietet einen Überblick über die wichtigsten Akteure, deren Rollen und die aktuell vorgesehenen Handlungsspielräume des Deutschen Bundesverbandes für Logopädie e.V. (dbl).
Wer gestaltet die Rahmenbedingungen in der Logopädie?
1. Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA)
Der G-BA ist das höchste Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im Gesundheitswesen. In seinem Plenum sitzen Vertreter*innen der Kostenträger (GKV-Spitzenverband) und der Leistungserbringer – allerdings nur der Ärzteschaft – nicht aber der Heilmittelerbringer*innen, also auch nicht der dbl, die Unparteiischen und – mit eingeschränkten Rechten – die Patientenvertretung.. Der G-BA beschließt u. a. die Heilmittel-Richtlinie (HeilM-RL), die sowohl für Ärzte und Ärztinnen als auch für Leistungserbringer*innen bindend ist. Der dbl kann zwar Stellungnahmen abgeben oder an Anhörungen im Unterausschuss teilnehmen, hat aber kein Mitspracherecht oder Sitz im G-BA. Entscheidungen fallen also durch Berufsfremde – mit teils gravierenden Auswirkungen auf die Versorgungspraxis in der Logopädie.
2. GKV-Spitzenverband (GKV-SV)
Seit dem Inkrafttreten des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) im Jahr 2021 ist der GKV-SV alleiniger bundesweiter Verhandlungspartner für die Heilmittelverbände – eine zentrale Veränderung im System. Die früheren regionalen Verhandlungen auf Landesebene wurden abgeschafft, was bundeseinheitliche Rahmenbedingungen ermöglicht. Der GKV-SV ist nicht nur Partner in den Vertragsverhandlungen, sondern betreibt auch ein Onlineportal für Anträge rund um die Telematikinfrastruktur (TI) und Telemedizin.
3. ARGEn
Die sogenannten Arbeitsgemeinschaften (ARGEn) agieren als regionale Verwaltungsstellen des GKV-SV. Sie sind zuständig für Zulassungen, Mitarbeitermeldungen und Überprüfungen – also für die praktische Umsetzung und Kontrolle von Rahmenbedingungen.
4. Maßgebliche Heilmittelverbände
In der Logopädie gibt es aktuell vier als maßgeblich anerkannte Verbände: Das sind der Deutsche Bundesverband für Logopädie (dbl), der Deutsche Bundesverband für akademische Sprachtherapie (dbs), der Deutsche Bundesverband der Atem-, Sprech- und Stimmlehrer/innen (dba) und Logo Deutschland (LD). Sie führen die Vertragsverhandlungen mit dem GKV-SV. Seit Einführung des TSVG geschieht dies auf Bundesebene. Dabei geht es um:
Wichtig: Die HeilM-RL setzt hier den Rahmen. Änderungen, die eine Anpassung der HeilM-RL voraussetzen, sind nicht allein über die Verträge verhandelbar – das zeigt deutlich die begrenzten Einflussmöglichkeiten der Verbände auf bestimmte Inhalte.
5. Schiedsstelle
Wenn sich GKV-SV und Heilmittelverbände nicht einigen können, tritt die Schiedsstelle in Kraft – ein Gremium mit Vertreter*innen aller Verbände und unabhängigen Dritten. Sie wurde ebenfalls im Zuge des TSVG geschaffen und ist eine wichtige Sicherungsinstanz, um Verhandlungen nicht ins Leere laufen zu lassen. Schiedssprüche können jedoch auch gerichtlich angefochten werden.
Fortschritte durch das TSVG – und die nächste große Baustelle
Die Abschaffung der regionalen Kassenverhandlungen und die Einführung einer bundeseinheitlichen Schiedsstelle waren große Erfolge, maßgeblich erkämpft durch die Heilmittelverbände in Zusammenarbeit mit der Politik und dem Bundesgesundheitsministerium (BMG).
Doch der nächste wichtige Schritt ist längst überfällig: Ein Sitz im G-BA oder ein formelles Mitspracherecht für Heilmittelerbringer*innen. Dass heute ausschließlich Ärzteschaftund Kostenträger über die Inhalte der HeilM-RL entscheiden – ohne ausreichendes Fachwissen über die Versorgungspraxis in der Logopädie – ist nicht länger akzeptabel. Wichtige, patientennahe und fachlich fundierte Vorschläge der Verbände scheitern regelmäßig am mangelnden Verständnis der G-BA-Mitglieder. So kommt es unter anderem zu solchen Fehlern wie der fehlenden Gruppentherapie in der zahnärztlichen Versorgung, obwohl sie hier besonders gut umsetzbar wäre.
Neue Bündnisse für mehr Einfluss
Am 28. Januar 2025 kamen alle 17 maßgeblichen Heilmittelverbände auf Einladung des Spitzenverbands der Heilmittelverbände (SHV) zusammen. Das Ergebnis war ein gemeinsames Positionspapier, das eine stärkere Einbindung der Heilmittelerbringer im G-BA fordert. Aus diesem Treffen heraus gründete sich am 25. März 2025 die „IG Heilmittelerbringer im G-BA“ (IG Heilmittel). Ziel: Politischer Druck für ein Gesetz, das Heilmittelerbringer*innen endlich einen festen Platz im G-BA einräumt.
Was heißt das für die Praxis – und für unsere Mitglieder?
Viele Kolleg*innen fragen sich:
Wer entscheidet eigentlich über unsere Vergütung? Warum werden bestimmte Forderungen nicht umgesetzt? Und wie groß ist der Einfluss des dbl?
Hier die wichtigsten Antworten:
- Der dbl verhandelt mit dem GKV-SV zusammen mit den anderen Verbänden auf Bundesebene den Versorgungsvertrag, seine Anlagen und die Vergütung.
- Forderungen können nicht vertraglich umgesetzt werden, wenn sie gegen die HeilM-RL verstoßen. Diese liegt außerhalb des direkten Einflussbereichs.
- Im G-BA haben die Verbände kein direktes Mitspracherecht – dies ist ein strukturelles Demokratiedefizit in der Selbstverwaltung.
- Die Vertragsverhandlungen laufen teils schwierig, da vier Verbände mit unterschiedlichen Prioritäten beteiligt sind. Kompromisse sind notwendig.
- Kommt keine Einigung zustande, kann es zum Schiedsverfahren kommen – oder im Ernstfall auch zu einem Rechtsstreit vor dem Sozialgericht.

Abbildung 1: Vereinfachte Darstellung der Gestaltungsebenen im Gesundheitswesen
Fazit: Selbstverwaltung braucht Mitsprache
Die Selbstverwaltung ist kein statisches System, sondern ein Machtgefüge mit vielen Mitspieler*innen, komplexen Verfahren – und echten Hürden. Der dbl setzt sich intensiv dafür ein, die Strukturen zugunsten der Logopädie weiterzuentwickeln. Dabei gilt: Ohne Mitspracherecht im G-BA bleibt der Handlungsspielraum begrenzt. Doch mit Bündnissen wie der IG Heilmittel wächst der Druck – und die Hoffnung auf echte Beteiligung.
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Mehr zum Thema Selbstverwaltung in der Logopädie erfahren Sie in unserem Podcast in Folge 4 und 5!
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