Funktionelle Stimmstörungen
Bei einer funktionellen Stimmstörung kommt es zu Veränderungen des Stimmklangs und Einschränkung der Leistungsfähigkeit der Stimme, ohne dass organische Veränderungen des Stimmorgans ersichtlich sind. Meist tritt die funktionelle Stimmstörung im Kindesalter mit hyperfunktionellen Komponenten (zu viel Spannung) auf. Dann klingt die Stimme heiser, rau, gepresst und angestrengt, manchmal auch behaucht und/oder aphon (tonlos). Resonanz und Lautstärke sind eingeschränkt, die Stimmlage vertieft, die Muskelspannung erhöht und beim Sprechen wird eine Schnappatmung hörbar. Selten wird eine kindliche Stimmstörung mit überwiegend hypofunktionellen (unterspannten) Komponenten vorgestellt, da Kinder mit solchen Störungen in der Regel nicht auffallen und keinen Leidensdruck verspüren. Die Stimme ist in diesem Fall leise und klingt heiser, behaucht, resonanzarm und kraftlos. Es besteht eine flache Atmung und die Haltemuskulatur ist schwach ausgebildet. Aus funktionellen Stimmstörungen können auf Dauer ohne Behandlung (in 80% der Fälle) organische Veränderungen (Knötchen) entstehen.
"Juvenile Dysphonie (kindliche Stimmstörung) mit hyperfunktionellen Komponenten"
Der 9jährige Nils ist das Jüngste von drei Kindern. Er hat eine heisere, raue, gepresste und angestrengte Stimme. Nils ist ein aufgeweckter Junge, der gerne Fußball spielt und dabei viel und laut schreit. Schon als kleiner Junge hat er sich mit Schreien gegen seine älteren Geschwister durchzusetzen versucht. Auch Nils Vater hat einen auffälligen Stimmklang, er verspürt jedoch keine Beschwerden und Leistungseinschränkungen, obwohl er als Lehrer eine hohe Stimmbelastung hat.
Es gibt vielfältige Ursachen für eine funktionelle kindlichen Dysphonie. Als häufigste Ursache wird in der Literatur "Stimmabusus" (übermäßiger Gebrauch, "Stimmmissbrauch") beschrieben (ca. 55%), als zweithäufigste Ursache Nasenatmungsbehinderung (ca. 36%). Auch Verhaltensweisen wie Hyperaktivität, Ängstlichkeit und Dominanzverhalten wurden bei stimmgestörten Kindern nachgewiesen. Falscher und übermäßiger Stimmgebrauch kann zwar Ursache einer Stimmstörung sein, dieser hat selbst aber auch eine, meist psychosoziale, Ursache, die es zu ergründen gilt. Vermehrte Aggression, Ängstlichkeit und Frustration sind als Auslöser aber auch als Folge einer kindlichen Stimmstörung nachgewiesen worden.
Kinder lernen von Vorbildern, deshalb sollten Eltern und Bezugspersonen selbst eine physiologische und verspannungsfreie Stimmführung anstreben. Stimmschonende und -hygienische Maßnahmen können Stimmproblemen vorbeugen, deshalb sollten Eltern darauf achten, dass ihre Kinder ausreichend trinken, dass die Raumluft nicht zu trocken ist und Kinder ausreichend Bewegung im Freien haben. Sie sollten beim Arzt das Gehör des Kindes überprüfen lassen, um Hörstörungen als Ursache ausschließen zu können. In der familiären Kommunikation sollten Kommunikationsregeln vereinbart werden, wie z.B. "einander zuhören" und "ausreden lassen". Die Stimmstörung sollte als Hilferuf des Kindes ernst genommen, Ursachen ergründet und gemeinsam Lösungen gefunden werden.
Wichtig ist auch, dass Eltern das eigene Verhalten reflektieren und anstatt laute, heisere Kinder ständig zu ermahnen leiser zu sein (was ca. 80% der Bezugspersonen bei stimmgestörten Kindern tun) sich Zeit nehmen für das Kind, dem Kind in Ruhe zuhören, mit dem Kind z. B. Entspannungsübungen durchführen, zusammen singen und rhythmische oder pantomimische Spiele spielen.
Die häufigste Stimmstörung (ca. 90% aller kindlichen Stimmstörungen) ist die funktionelle Dysphonie. 10% aller Patienten, die ärztlich vorgestellt werden, sind Kinder. Ca. 6% Prozent aller Kinder haben eine Stimmstörung, wobei hier in der Literatur sehr unterschiedliche Angaben vorliegen (von 0.12-35%.)
Bei auffälligem Stimmklang sollte das Kind einem HNO-Arzt oder Phoniater (Stimmheilarzt) vorgestellt werden. Bei Bedarf stellt der Arzt eine logopädische Verordnung aus. Die Logopädin führt ein Anamnesegespräch mit den Eltern und ggf. mit dem Kind und erhebt einen logopädischen Stimmbefund. Auf dieser Grundlage werden, in Absprache mit den Eltern, die Therapieziele festgelegt.
Kindliche Stimmstörungen werden von LogopädInnen behandelt. Unterschiedliche Behandlungsansätze mit vielfältigen kindgerechten Übungen in allen stimmrelevanten Bereichen stehen zur Verfügung.
Bei Kleinkindern und Kindergartenkindern steht die Aufklärung, Beratung und ggf. Anleitung der Eltern im Vordergrund. Liegen psychosoziale oder familiär bedingte Ursachen zugrunde, sollten begleitend therapeutische Interventionen (z. B. Familientherapie) stattfinden.
Eine logopädische Stimmbehandlung wird in der Regel erst mit Kindern ab dem Vorschulalter durchgeführt; dies kann in Einzel- oder Gruppensitzungen sein. Je nach Alter des Kindes wird eher indirekt oder direkt gearbeitet in den Bereichen: Körperspannung, Atmung, Artikulation und Stimmgebung; die Förderung der auditiven und taktil-kinästhetischen Wahrnehmung sowie ein Kommunikationstraining mit dem Kind, fließen in die Behandlung ein. Die Eltern werden immer in die Therapie mit einbezogen.
Ziel der logopädischen Therapie ist, die Kommunikationsfähigkeit des Kindes durch eine anstrengungsfreie und belastungsfähige Stimme zu verbessern, das Selbstwertgefühl des Kindes zu fördern und Freude an der physiologischen Stimmgebung zu wecken.
Eltern sollten bei Verdacht auf eine Stimmstörung und bei Heiserkeit, die länger als 2-3 Wochen dauert, ohne dass ein akuter Infekt vorliegt, einen HNO-Arzt oder Phoniater zur Abklärung der Ursache aufsuchen.
Beushausen, U. (2009), Kindliche Stimmstörungen, Ein Ratgeber für Eltern und pädagogische Berufe, Idstein: Schulz-Kirchner
Beushausen, U., Haug, C. (2011). Stimmstörungen bei Kindern. München: Reinhard Verlag
Böhme, G. (2003). Sprach-, Sprech-, Stimm- und Schluckstörungen. Band 1: Klinik. 4. Auflage, München: Urban & Fischer
Ribeiro, A. (2006). Funktionelle Stimmstörungen im Kindesalter. Idstein: Schulz-Kirchner
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