Ziel: Ziel der Studie war, ein vertieftes Verständnis der Erfahrungen und den folgenden Konsequenzen für Selbsthilfeangebote bei jungen Menschen (18–35 Jahre) mit Aphasie zu erlangen. Ebenso wurden Bedürfnisse erfasst, um zukünftige Selbsthilfeangebote zielgruppenorientiert zu gestalten.
Methodisches Vorgehen: Es wurden 10 Frauen und 4 Männer mit Aphasie, die zwischen 18-34 Jahren alt waren, unterschiedliche neurologische Erkrankungen und post-onset-Zeiten hatten, interviewt. Die Interviews wurden nach der inhaltlich strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet und die Ergebnisse interviewübergreifend zusammengefasst.
Ergebnisse:
1. Erfahrungen mit Selbsthilfeangeboten
V.a. über persönliche Kontakte, die in Rehabilitationseinrichtungen oder durch ambulante TherapeutInnen geschaffen wurden, lernen die Betroffenen Selbsthilfegruppen kennen. Die mangelnde online-Präsenz und eingeschränkte technische bzw. schriftsprachliche Fähigkeiten erschweren den online-Zugang zu Selbsthilfeangeboten.
In regionalen Selbsthilfegruppen werden der Kontakt zu Gleichaltrigen, die gegenseitige Hilfe und alltagsrelevanten Themen geschätzt. Dagegen werden bei überregionalen Seminaren und Tagungen das nicht altersentsprechende Programm und die flüchtigen Kontakte negativ erlebt.
2. angebots- und organisationsbezogene Wünsche
Mehr regionale Selbsthilfegruppen sollen gegründet werden, um gleichaltrig Betroffene kennenzulernen und vor Ort die gegenseitige Hilfe und den Austausch zu haben. In den Gruppen und aus den Selbsthilfeorganisationen heraus sollen bedeutungsvolle Betätigungen (z.B. Ausflüge, Theater-, Sportgruppe, Stammtisch) angeboten werden. Diese Betätigungen spiegeln die früheren Interessen der Interviewten wieder und sollen (teil-)finanziert werden.
Selbsthilfeorganisationen sollen ihre Öffentlichkeitsarbeit mit fachlicher Beratung für Betroffene, Angehörige und professionell Tätige, einer erhöhten online-Präsenz und spezifischen Informationsbroschüren intensivieren. Sie sollen auch die Interessen der jungen Menschen mit Aphasie u.a. gegenüber der Gesellschaft und potenziellen ArbeitgeberInnen vertreten.
3. individuelle Wünsche
Um eine größtmögliche Selbstständigkeit zu erreichen, wünschen sich die Interviewten v.a., dass sie ihnen bedeutungsvolle Aktivitäten (z.B. frühere Hobbys, Berufstätigkeit) durchführen und dass ihre Fähigkeiten einsetzen und anhand von „learning by doing“ den Alltag weitgehend allein bestreiten können.
Schlussfolgerungen
Anforderungen an zukünftige Selbsthilfeangebote sind:
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altersentsprechende Vernetzung der (Mit-)Betroffenen, um Kontakte zu und Gemeinschaft mit Gleichaltrigen zu ermöglichen
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frühzeitige Beratung für (Mit-)Betroffene, um z.B. über die Erkrankung, den Umgang mit Betroffenen und Therapiemöglichkeiten zu informieren
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auf politischer und gesellschaftlicher Ebene die Interessen der Betroffenen vertreten, um Offenheit und Toleranz zu erreichen
Relevanz für die logopädische Praxis: LogopädInnen können eine wichtige Schnittstelle zwischen jungen Menschen mit Aphasie und Selbsthilfegruppen und -organisationen sein, um die (Mit-)Betroffenen in einer lebenslagenbezogenen Krisenzeit (z.B. Umgang mit den krankheitsbedingten Folgen, Verlust von Freunden und vom Ausbildungs- oder Arbeitsplatz) zu unterstützen.