Ziel: Das Ziel der Bachelor-Arbeit war es, die Auswirkungen eines zweiwöchigen myofunktionellen Eigentrainings von Zunge und Velum (MET) bei Patienten mit nächtlichen Atemaussetzern (obstruktives Schlafapnoe-Syndrom (OSAS)) und einhergehender Schnarch-Symptomatik zu erforschen. Dafür wurden ausgewählte schlafmedizinische (u.a. Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI), subjektive (u.a. Tagesschläfrigkeit) und logopädische Parameter (Veränderungen des orofazialen Systems) untersucht. Zudem wurde das MET von den Probanden in Bezug auf die Alltagsintegrierbarkeit, Motivation und Umsetzung evaluiert.
Methode: Als Studiendesign wurde eine experimentelle, multiple Einzelfallstudie in einem Vorher-Nachher-Design mit einer Kontrollphase gewählt. Die Probanden, die mithilfe einer Kooperation mit einem Schlaflabor rekrutiert wurden, waren 42 Jahre (Proband X) und 67 Jahre (Proband Y) alt. Der Body-Mass-Index (BMI) betrug bei Proband X den Wert 33,7 und bei Proband Y den Wert 24,9. Für die Datenerhebung wurden folgende Instrumente und Verfahren eingesetzt: Ambulante Polygraphie, Epworth Sleepiness Scale (ESS) (Johns 1991), (PSQI) (Buysse et al. 1989), Berliner orofaziales Screening (BoS) (Pollex-Fischer u. Rohrbach 2017) und Frenchay Dysarthrie Untersuchung (Enderby 1991). Das von externen Evidenzen abgeleitete MET wurde im zweiwöchigen Interventionszeitraum zweimal täglich für jew. ca. 10 Minuten durchgeführt.
Ergebnisse: Beide Probanden wiesen nach dem MET eine deutliche Reduzierung des AHI und eine Verbesserung der orofazialen Funktionen in Bezug auf die Koordination (Lippen, Wange, Zunge) und die Kraft (Zunge) auf. Die Gaumensegelüberprüfung war zu allen Testzeitpunkten unauffällig. Zu den Ergebnissen der subjektiven Parameter kann keine eindeutige Aussage erfolgen. Die Alltagsintegrierbarkeit, Motivation und Umsetzung wurden gut bewertet.
Schlussfolgerung: Trotz sehr unterschiedlicher Ausgangsbedingungen bewirkte das MET bei beiden Probanden eine deutliche Reduzierung der nächtlichen Atemaussetzer. Die logopädischen Auffälligkeiten der Probanden blieben trotz Verbesserungen in den logopädischen Parametern auch nach der Intervention weiterhin bestehen. Die Ergebnisse werfen weitere Fragestellungen in Bezug auf die Zusammenhänge zwischen dem Pathomechanismus des OSAS und des orofazialen Systems auf. Eine interdisziplinäre Herangehensweise hat sich hierfür als sinnvoll erwiesen. Das Eigentraining, das eine ressourcenschonende alternative Interventionsform darstellt, konnte von beiden Probanden sehr gut in den Alltag integriert werden. Dies galt gleichermaßen für den im Schicht- und Nachtdienst tätigen Probanden X wie für den berenteten Probanden Y.
Relevanz: Die Bachelorarbeit ist die erste deutschsprachige Arbeit auf diesem Themengebiet. Diese sollte nicht nur eine bestehende Forschungslücke aufgreifen, sondern auch zu weiteren Forschungsarbeiten anregen. Da das OSAS eine hochprävalente Erkrankung mit weitreichenden Konsequenzen darstellt, ist die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Themengebiet von besonderer Relevanz. Eine hohe Abbruchquote der bisherigen Standardtherapieform (Überdruckbeatmung) unterstreicht dies zusätzlich.
Buysse, J.D.; Reynolds C.F.; Monk, T.H.; Berman S.R.; Kupfer, D.J. (1989): The Pittsburgh Sleep Quality Index. Deutsche Übersetzung. In: DGSM (2007): Schlafqualitäts-Fragebogen (PSQI). Zugriffs-URL: https://www.dgsm.de/downloads/fachinformationen/frageboegen/psqi.pdf [letzter Zugriff am 6.08.2018]
Enderby, P.M. (1991): Frenchay Dysarthrie Untersuchung. Übers. von Grosstück, K.; Grün, H.D.; Johann, B.; König, V.; Kuhlmann, B.; Rosenberger, R.. Stuttgart, Gustav Fischer Verlag
Johns, M.W. (1991): The Epworth Sleepiness Scale. Deutsche Übersetzung. In: DGSM (2007): Fragebogen zur Tagesschläfrigkeit (Epworth Sleepiness Scale). Zu-griffs-URL: https://www.dgsm.de/downloads/fachinformationen/frageboegen/ess.pdf [letzter Zugriff am 5.08.2018]
Pollex-Fischer, D.; Rohrbach, S. (2017): Berliner orofaziales Screening BoS. Vorstellung eines Untersuchungsinstruments zur Diagnostik orofazialer Dysfunktionen (OFD). In: Forum Logopädie. 4 (31), 6 – 11