Autismus-Spektrum-Störung (ASS)
Autismus ist eine angeborene, tiefgreifende Entwicklungsstörung.
Die Symptome zeigen sich vor dem 3. Lebensjahr und stellen sich in recht unterschiedlichen Symptomkombinationen und Ausprägungsgraden dar. Deswegen spricht man heute von "Autismus-Spektrum-Störung" (ASS) und unterscheidet immer weniger zwischen den Autismustypen "Frühkindlicher Autismus", "Asperger Syndrom" und "Atypischer Autismus".
Ursachen
Alles weist darauf hin, dass Autismus genetische Ursachen hat.
Die Bandbreite der Symptome geht auf organische Abweichungen in Aufbau und Arbeitsweise des Gehirns zurück.
In einigen Fällen wird eine Infektion in der Schwangerschaft als Auslöser vermutet, z. B. mit Röteln.
Häufigkeit
Knapp 1% der Bevölkerung ist von einer Autismus-Spektrum-Störung betroffen. Unter den Kindern, die bei der U7 (im Alter von etwa 2 Jahren) sprachlich auffallen, sind es ca. 5 %.
Symptome
Kernsymptome, die sich in unterschiedlicher Ausprägung bei allen Formen des Autismus zeigen:
- Defizite in der sozialen Interaktion
z. B. hinsichtlich Aufnehmen und Gestalten des Kontaktes zu anderen, Herstellen geteilter Aufmerksamkeit, Blickkontakt, … - Beeinträchtigung in Kommunikation und Sprache
Betroffen sind z. B. Sprachverständnis, Sprechen, Entwicklung von Wortschatz und Grammatik, Verständnis für Körpersprache, Pragmatik: zielgerichtete Anwendung der Sprache (stattdessen Echolalien oder Floskeln), Regeln des Dialogs und Einbindung des Kontextes zur Deutung - eingeschränkte, repetitive Verhaltensmuster, Interessen oder Aktivitäten
(z. B. Spezialinteressen, ungewöhnliches Spiel, Wedeln mit den Händen, Bedürfnis nach Ritualen, Erregbarkeit durch Veränderung, …)
Symptome, die häufig auftreten:
- Auffälligkeiten bei der Verarbeitung von Umwelt- und Sinnesreizen (z.B. Über- oder Unterempfindlichkeit gegenüber Geräuschen, Lichtreizen, Berührungen, Gerüchen, …). Manche Personen reagieren mit völliger Abschottung, „Overload“ (Überlastungsanzeichen) oder Selbststimulierung.
- Andere Bewertung von Informationen (z.B. zusammenhangsloses Wahrnehmen von Details, ohne das große Ganze zu sehen) und schwer nachvollziehbare Schlussfolgerungen
- Eingeschränkte exekutive Funktionen (z.B. in Bezug auf die Organisation des eigenen Handelns, Aufmerksamkeitssteuerung, Impulskontrolle, Art des Lernens, …)
- Intelligenzminderung (bei etwa 45% der Personen mit ASS)
- Gelegentlich auch Hochbegabung
Typische sprachliche Symptome:
- Sprechen: Etwa die Hälfte der autistischen Personen spricht gar nicht, äußert ohne erkennbare kommunikative Absicht auswendig gelernte Redewendungen (Floskeln) oder wiederholt wortwörtlich, was andere zuvor gesagt haben (Echolalie).
- Schwierigkeiten im Sprachverständnis: Manche Menschen mit ASS verstehen nicht einmal die Bedeutung von ganz alltäglichen Wörtern oder Sätzen. Andere ziehen den Kontext nicht genügend zur Deutung heran und erfassen deshalb bildhafte Ausdrücke, Redewendungen, Ironie und selbst die im Alltag üblichen sprachlichen Kürzel nicht korrekt.
- Pragmatik: Schwer Betroffene wissen oft gar nicht, wozu man Sprache überhaupt benutzt. Andere tun sich schwer, die Regeln des zwischenmenschlichen Dialogs zu erlernen, folgerichtig etwas zu erzählen oder den Kontext (die aktuelle Situation, körperliche Signale wie Gestik, Mimik, Haltung, Tonfall u.a.) zu verwerten.
- Wortschatz: Missverständnisse über Wortbedeutungen, Freude an Wortneuschöpfungen, …
Es ergibt sich eine ungewöhnliche Art des zwischenmenschlichen Wechselspiels, die zu beidseitigen Missverständnissen und Verunsicherungen führt.
Was können Eltern tun?
Erste Anlaufstellen sind (kinder-) psychiatrische Zentren mit diagnostischer Erfahrung, die individuell untersuchen und beraten sowie Therapien einleiten. Inzwischen gibt es auch ein immer dichteres Netz aus Autismus-Therapiezentren. Außerdem bietet der Elternselbsthilfeverband Autismus Deutschland e. V. mit seinen zahlreichen Regionalgruppen vielfältige Unterstützung.
Je früher der Autismus erkannt wird und Eltern, Pädagoginnen und Pädagogen sowie Therapeutinnenund Therapeuten auf die Probleme spezifisch eingehen, desto besser kann sich das Kind entwickeln.
In der Logopäden-Suche des dbl kann darüber hinaus auch nach Therapeut*innen gesucht werden, die sich auf die logopädische Therapie von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Autismus-Spektrum-Störungen spezialisiert haben.
Literatur und Material
Eberhardt, M. (2015). Autismus und Sprache. Wörter, Sätze und Gespräche verstehen. Baden-Baden: Tectum.
Herpertz-Dahlmann, B., Konrad, B., Freitag, C. (2010). Autismus heute. Frühförderung interdisziplinär, 29, 3-12.
Horbach, B. (2020). Praxishandbuch Autismus. Konkrete Strukturierungshilfen zur Förderung von Schülern im Autismus-Spektrum. Hamburg: Persen.
Menze, J. (2018). ASS Autismus-Spektrum-Störung. Ein Ratgeber für Eltern, Therapeuten und Pädagogen. Idstein: Schulz-Kirchner.
Notbohm, E. & Zysk, V. (2019). 1001 Ideen für den Alltag mit autistischen Kindern und Jugendlichen. Freiburg im Breisgau: Lambertus-Verlag.
Teufel, K., Wilker, C., Valerian, J. & Freitag, C.M. (2017). A-FFIP – Autismusspezifische Therapie im Vorschulalter. Berlin, Heidelberg: Springer
Snippe, K. (2015). Autismus – Wege in die Sprache. Idstein: Schulz-Kirchner.
dbl-Materialien
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Behandlungsleitlinie
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Links
Fachzeitschriften:
Fachorganisationen:
- Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP)
- Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN)
- Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V. (DGKJ)
- Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie e.V. (DGVT)
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