Stottern
Das Stottern bei Jugendlichen und Erwachsenen unterscheidet sich ganz wesentlich von Unflüssigkeiten bei Kindern. Dies beruht im Wesentlichen auf der Tatsache, dass bei Jugendlichen und Erwachsenen bereits ein Bewusstsein für das Phänomen entstanden ist, das sich in aller Regel auf ihr gesamtes Sprech-, Kommunikations- und auch Sozialverhalten auswirkt.
Während kindliche Unflüssigkeiten noch bei ca. 5 % der Bevölkerung auftreten, besteht es ab dem Jugendalter nur noch bei ca. 1 %, jedoch bei etwa doppelt so vielen Jungen wie Mädchen. Über seine Entstehung gibt es sehr viele Theorien (Vererbung, erlernt, Trauma (Schocks), psychische Störungen, neurologische Erkrankungen, etc.), doch bis heute existiert darüber keine eindeutige Meinung. Man nimmt an, dass evtl. die Veranlagung zum Stottern vererbt ist und dann viele weitere Faktoren zu seiner Entwicklung dazu kommen müssen.
Beim chronischen Stottern kommt es im Prinzip zu den gleichen Unflüssigkeiten, wie sie auch bei `Normalsprechern´ auftreten können. Diese Unflüssigkeiten sind jedoch viel häufiger und meist viel stärker ausgeprägt und verursachen deutliche Reaktionen bei den Betroffenen. Das plötzliche Auftreten (wie auch bereits die Erwartung) der Stottersymptomatik ist meist mit starken emotionalen und körperlichen Reaktionen verbunden, die wiederum Auswirkungen auf den Sprechablauf haben.
Die primären (eigentlichen) Stottersymptome können sein:
- Wiederholung von Einzellauten oder Silben: " ich kkkkomme dann um füfüfüfünf"
- Prolongationen (Lautdehnungen): "vvvvvvvielleicht am SSSSSSSSSamstag"
- Unterbrechung von Wörtern: "das kommt ganz au------tomatisch"
- Hörbare oder stumme Blockaden: " i……ch brauche manchmal ………etwas länger"
Nahezu jeder Stotternde entwickelt dazu im Verlauf seiner Stottererfahrungen ein eigenes Repertoire an Strategien, um diese primären Symptome zu umgehen oder möglichst unauffällig zu überwinden, z. B. "Also, ähm, ich mmmöchte mich b----, also jetzt b—ei ….Ihnen, ähm also vovovorstellen.". Diese sekundären Stottersymptome können Starthilfen ("ähm, also, ich sag mal…"), Lückenfüller (Räuspern, ähm, Nachdenken), Abbrüche und evtl. veränderte Neuversuche ("gestern war ich im K----, also hab ich mir einen Film angesehen") sein.
Es kann aber auch passieren, dass ganz auf die aktive Teilnahme an Kommunikation verzichtet oder versucht wird, die Blockaden `gewaltsam´ zu lösen. durch z. B. starkes Pressen oder ruckartige Bewegungen mit Fuß, Hand oder Kopf. Diese für Außenstehende deutlichen Strategien werden z. T. kombiniert mit sprachlichen Umwegen, die die Grammatik, den Satzbau oder auch die Wortwahl betreffen können. Dabei versucht der Betroffene ihm schwierig erscheinende Passagen beim Sprechen spontan umzubilden und sie durch `leichtere´ zu ersetzen. Dies führt zuweilen dazu, dass Stotternde nach außen nicht als solche erkannt werden, sondern eher den Ruf haben, `umständliche´ Gesprächspartner zu sein. So werden auch stotternde Schüler von ihren Lehrern oft als still und schüchtern oder auch uninteressiert und unwissend eingestuft und entsprechend beurteilt.
Die beschriebenen Kommunikations- und Vermeidensstrategien helfen stotternden Jugendlichen und Erwachsenen zwar oft über einzelne Symptome hinweg, bewirken jedoch keine grundsätzliche Veränderung der Problematik. Stattdessen werden sie meist zum festen Bestandteil des "Sprechinventars" und stellen dann oft eine größere Auffälligkeit dar, als es das "Nettostottern" (nur primäre Symptome) wäre.
Um festzustellen, ob 'echtes' Stottern besteht und um es von Poltern oder neurologischen Erkrankungen zu unterscheiden, untersucht der Logopäde das Sprechen in verschiedenen sprachliche Modalitäten, wie z.B. beim Lesen, im freien Gespräch oder beim Reihensprechen. In der Anamnese (Befragung) wird festgestellt, inwieweit das Stottern bereits die Kommunikation des Patienten im Alltag beeinflusst.<style type="text/css"><!-- @page { margin: 2cm } P { margin-bottom: 0.21cm } A:link { so-language: zxx } --> </style>
Stottern ist sehr komplex, d.h. eine Vielzahl von Komponenten wie Gefühle, Gedanken, Körperlichkeit oder soziale Rolle haben Einfluss auf die Symptomatik. Zielsetzung der Therapie ist es, dem Stotternden sein Sprechen zu erleichtern und, wenn möglich, einen höheren Flüssigkeitsgrad zu erreichen. Dazu sind Grundlagen für eine entspanntere, gelassenere und spontane Kommunikation zu schaffen. Das Spektrum von Therapieansätzen ist sehr unterschiedlich, z.B. gibt es Angebote zur Akupunktur, apparative Hilfen, Hypnose oder auch Bioresonanz. Für alle diese Ansätze gibt es jedoch keine überzeugenden Nachweise ihrer Wirksamkeit.
In der Stottertherapie wird heute überwiegend entweder an der Veränderung des Sprechens oder der Veränderung des Stotterns gerarbeitet.
Bei der Veränderung des Sprechens wird vor allem versucht, eine hohe Sprechflüssigkeit zu erreichen (fluency shaping). Dabei trainiert man die Veränderung von Atmung, Artikulation (Aussprache), Stimmeinsatz oder auch Prosodie (Sprechmelodie). Auf diese Weise erlernt der Stotternde eine völlig neue Sprechweise, die (noch) nicht mit Stottern verbunden ist und daher eine höhere Sprechflüssigkeit ermöglicht. Die anfänglich sehr große Auffälligkeit wird schrittweise einem natürlich klingenden Sprechen
angeglichen.
Bei der Veränderung des Stotterns lernt der Betroffene eine grundlegend neue Einstellung dem Problem gegenüber. Der Stotternde soll sich (oft erstmals) mit dem Stottern direkt und nicht mit seiner Vermeidung auseinandersetzen (Konfrontation). Er soll über den Abbau seiner Ängste und seiner sekundären Symptome den Status des Nettostotterns erreichen, das er danach kontrolliert und konstruktiv bearbeiten kann. Das heißt, er muss nur noch bei Auftreten der (i.d.R. stark reduzierten) Symptomatik reagieren und kann ansonsten spontane, ungehemmte Kommunikation betreiben.
Die logopädische Therapie kann klassisch ambulant oder auch stationär stattfinden. Als besonders effektiv haben sich Modelle der Intervalltherapie erwiesen, wobei sich kurze intensive Therapiephasen mit längeren direkten Praxisphasen im individuellen Umfeld abwechseln.
Die dbl-webseite bietet eine gute Hilfe zur Logopädensuche, ebenso können die jeweiligen Landesverbände des dbl regionale Informationen zu geeigneten Logopäden geben. Erfahrene Stottertherapeuten mit Angabe ihrer Arbeitsschwerpunkte sind auch im Therapeutenverzeichnis der BVSS (Bundesvereinigung der Stotterer Selbsthilfe) vertreten. Zudem liegt eine gemeinsame Broschüre vor, die Betroffenen Hinweise gibt, wie sie geeignete Therapeuten aus der Vielzahl von Logopäden auswählen können.
Rauschan, W. & Welsch, C. (2012). Das ABC-Modell zur Therapie jugendlicher und erwachsener Stotternder.Idstein: Schulz-Kirchner
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The Newsletter of the International Stuttering Association (ISA)
- Der Kieselstein
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- IVS, Interdisziplinäre Vereinigung für Stottertherapie e.V. (Vereinigung von StottertherapeutInnen und WissenschaftlerInnen aus unterschiedlichen Disziplinen)
- IFA, International Fluency Association (Internationale, interdisziplinäre Fachorganisation auf dem Gebiet der Stottertherapie)
- Selbsthilfe:
- Bundesvereinigung Stottern & Selbsthilfe e.V. (Dachverband der deutschen Selbsthilfe stotternder Menschen)
- ELSA, European League of Stuttering Associations (Europäischer Dachverband nationaler Stotterer-Selbsthilfeorganisationen)
- Flow Sprechgruppe (junge Selbsthilfe der BVSS)
- Sonstige:
- The Stuttering Homepage (Fundgrube für Fachleute und Betroffene an der Minnesota State University, Mankato, USA)
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