Hörstörungen
Im Kindesalter spricht man generell von einer Hörstörung, wenn ein Kind im Hauptsprachbereich d.h. zwischen 250-4000 Hz einen Hörverlust größer als 20 db aufweist. Es können bei Kindern Schalleitungsschwerhörigkeiten und Schallempfindungs-schwerhörigkeiten unterschiedlichen Schweregrades sowie zentrale Hörverarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen auftreten.
Hörstörungen werden in geringgradige (bis 20-40 db Hörverlust), mittelgradige (bis 40-60 db Hörverlust) und hochgradige Schwerhörigkeiten (60-90 db) unterteilt (Probst, 2008). Resthörigkeit besteht bei einem Hörverlust von 90 db, wenn z.B. noch eine Hörwahrnehmung für sehr tieffrequente Signale möglich ist. Ab einem Hörverlust von 100 db spricht man von Gehörlosigkeit.
Schalleitungsschwerhörigkeiten werden als Störung der Schallübertragung im äußeren Gehörgang und/oder Mittelohr definiert. Der Höreindruck ist mehr oder weniger stark gedämpft. Vorübergehende Schalleitungsstörungen aufgrund von Tubenfunktions-störungen, Paukenergüssen und Mittelohrentzündungen treten im Kindesalter häufig auf und können die Sprachentwicklung ungünstig beeinflussen.
Dauerhafte Schalleitungsstörungen aufgrund von Fehlbildungen des äußeren Ohres sind mit 5% aller kindlichen Hörstörungen relativ selten (Leitlinien der DGPP, 2005).
Schallempfindungsschwerhörigkeiten sind bedingt durch eine Schädigung des Innenohres oder des Hörnerven aufgrund von Vererbung oder bestimmter Erkrankungen. Bei Kindern ist bei einer Schallempfindungsschwerhörigkeit anders als bei Erwachsenen meist das Hörvermögen über alle Frequenzen des Hauptsprachbereiches betroffen. Der Höreindruck ist nicht nur gedämpft, sondern auch in seiner Qualität verändert z. B. verzerrt.
Beide Arten von Hörstörungen kommen im Kindesalter auch im Zusammenhang mit syndromalen Erkrankungen wie Downsyndrom, Turnersyndrom oder Ushersyndrom vor.
Bei Vorliegen einer auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen (AVWS) zeigen die Kinder keine Auffälligkeiten in einem Tonschwellenaudiogramm, dennoch fällt auf, dass sie scheinbar nicht richtig zuhören können und oft entstehen im Schulalter Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben.
Hörstörungen können aufgrund von Vererbung auftreten oder als Folge von Einflüssen vor, während oder nach der Geburt eines Kindes. Erworbene Hörstörungen entstehen z. B. durch Erkrankungen der Mutter während der Schwangerschaft (Röteln) oder durch Sauerstoffmangel bei der Geburt. Im Kindesalter können Mittelohrentzündungen und Meningitis, Schädel-Hirn-Traumata, seltener Durchblutungsstörungen oder Lärmeinwirkung Hörstörungen verursachen. Bei einem Drittel der im Kindesalter auftretenden Hörstörungen ist die Ursache unbekannt (Leitlinien der DGPP, 2005).
Auf tausend Geburten im Jahr sind in Deutschland 1,2 % Kinder hochgradig hörgeschädigt. Insgesamt sind in Deutschland nach Informationen des Deutschen Zentralregisters für Hörstörungen 500 000 Kinder hörgeschädigt und davon ca. 80 000 so hochgradig, dass sie einer besonderen Förderung bedürfen.
In Deutschland wird ein Neugeborenen-Hörscreening eingesetzt, mit dem eine Hörstörung durch die Ableitung der elektrischen Potentiale des Hörorgans bei akustischer Stimulation in den ersten Lebenstagen objektiv festgestellt werden kann.
Bei einem später auftretenden Verdacht auf eine Hörstörung werden nach einer HNO-ärztlichen Untersuchung des peripheren Hörorgans alters- und entwicklungsabhängig subjektive (Reflex-, Verhaltens- und Beobachtungsaudiometrie, Tonschwellenaudiometrie, sprachaudiometrische und überschwellige Prüfverfahren) und objektive (Impedanzaudiometrie, Messung der otoakustischen Emissionen, elektrophysiologische Untersuchungen z.B. BERA) Hörprüfverfahren durchgeführt. Die Verfahren unterscheiden sich in den verschiedenen Antworten auf akustische Reize, in der Art der Prüfsignale und in den anatomischen Strukturen, die getestet werden sollen.
Ein einzelner Hörtest reicht für eine sichere Diagnosestellung einer Hörstörung bei Kindern meist nicht aus. Die Diagnose wird nach Auswertung und Interpretation der verschiedenen Hörprüfungen und der gesamten medizinischen Informationen gestellt.
Je nach Art und Schweregrad der Hörstörung stehen zunächst medizinische und/oder operative Behandlungen im Vordergrund, wie z. B. bei häufig auftretenden Mittelohrentzündungen oder Fehlbildungen des äußeren Hörorgans.
Besteht eine permanente Hörstörung, deren Ursache nicht behoben werden kann, ist die wichtigste therapeutische Maßnahme die Anpassung von Hörgeräten oder die Versorgung mit einem Cochlea Implantat, das eine spezielle Hörhilfe darstellt und operativ eingesetzt werden muss.
Weiterführende therapeutische und/oder pädagogische Maßnahmen haben das Ziel, mögliche negative Folgen kindlicher Hörstörungen auf die Gesamtentwicklung und Sprachentwicklung des Kindes zu vermeiden oder zu verringern. Dazu gehört auch im Rahmen von Frühfördermaßnahmen, das "Recht des gehörlosen Kindes zweisprachig aufzuwachsen" zu respektieren. Der Deutsche Gehörlosen-Bund e.V. hat dazu eine Broschüre erstellt, aus der u.a. auch "Qualitätskriterien für eine bilinguale Frühförderung" hervorgehen.
Bei Verdacht auf eine Hörstörung sollten Eltern sich umgehend an einen Kinderarzt, HNO-Arzt oder ein audiologisches Zentrum wenden. Ein Verdacht auf eine Hörstörung liegt vor, wenn aus Sicht der Eltern altersgemäße Reaktionen auf akustische Reize ausbleiben, das Kind nicht direkt auf Ansprache der Eltern reagiert, das Kind den Anweisungen der Eltern nicht korrekt folgt, das Kind Radio/Fernsehen etc. sehr laut einstellt, die Sprachentwicklung des Kindes verzögert ist und/oder die Artikulation des Kindes schlecht verständlich ist. Die Besorgnis von Eltern gilt als ein Risikofaktor für Hörstörungen und sollte sehr ernst genommen werden, indem eine gründliche ärztliche und audiometrische Untersuchung des Kindes eingeleitet wird.
Eventuell hilfreich für Eltern ist die folgende Überprüfung der ASHA (American Speech Language Hearing Association) zur Einschätzung der Hörfähigkeit von Kindern.
Einschätzung der Hörfähigkeit des Kindes durch die Eltern
Zeigt Ihr Kind die nachfolgend beschriebenen Verhaltensweisen bzw. Symptome sollten sie es in Hinblick auf eine Hörstörung von einem Facharzt (HNO, Pädaudiologe, Phoniater) überprüfen lassen.
- Ihr Kind reagiert mal direkt, mal gar nicht auf Ansprache bzw. wenn sie nach ihm rufen.
- Ihr Kind folgt Anweisungen nicht korrekt.
- Ihr Kind reagiert oft mit „Wie?“ oder “Was?“
- Die Sprachentwicklung Ihres Kindes ist verzögert.
- Die Artikulation Ihres Kindes ist schwer verständlich.
- Das Kind stellt Medien (Radio, TV, CD Spieler, etc.) durchgehend sehr laut ein.
ASHA (American Speech, Language, Hearing Association). Self-Test for Hearing Loss. 11.12.2012
Probst, R.; Grevers, G.; Iro, Heinrich. (Hrsg.) (2008). Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde. 3.Auflage, Stuttgart: Thieme
Verordnung von Hörhilfen
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Fachzeitschrift für Cochlear Implant, Schwerhörigkeit, Taubheit, Tinnitus, Hörgeräte und Hör-Hilfsmittel - Spektrum Hören
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