Organisch bedingte Stimmstörungen
Bei organisch bedingten Stimmstörungen (Dysphonien) ist die Stimmerzeugung durch pathologisch-anatomische Veränderungen im Bereich des Kehlkopfs beeinträchtigt. Sie unterscheiden sich so von den funktionellen Dysphonien, bei denen keine strukturelle Veränderungen im Kehlkopfbereich erkennbar sind.
Erstes Symptom ist meist eine Veränderung des Stimmklangs. Die Stimme klingt häufig heiser, rau, doppeltönig (diplophon) und/oder wird tiefer oder höher. Im ausgeprägtesten Fall ist keine Stimmbildung mehr möglich. Es kommt auch zu Missempfindungen im Bereich des Kehlkopfs, zu Räusperzwang, zum Hustenreiz beim Schlucken oder Verschlucken.
Die Verursachungen organisch bedingter Stimmstörungen sind vielfältig:
- Wucherungen im Kehlkopf, die häufig durch lang andauernde stimmliche Überlastungen, Entzündungen oder anderer schädlicher (toxischer) Umwelteinflüsse einstehen. Dazu zählen z. B. Knötchen ("Sängerknötchen"), Polypen, Ödeme, Zysten oder Tumore auf den Stimmlippen.
- Lähmungen der Stimmlippen (Recurrensparese) und neuromuskuläre Funktionsstörungen, die z. B. bei Morbus Parkinson, ALS (amyotropher Lateralsklerose), Schlaganfällen und anderen Hirnschädigungen auftreten können.
- Traumata im Bereich des Kehlkopfs, die durch Unfälle, Operationen, Schädigungen der Stimmlippen durch Intubation (Beatmung), Überlauf von Magensäure in den Kehlkopf (gastroösophagealer Reflux) oder z. B. Entfernung von Teilen der Stimmlippen oder des Kehlkopfs bei Tumorerkrankungen (Teilresektionen) auftreten können.
Darüber hinaus gibt es aber auch angeborene Kehlkopffehlbildungen.
Da das Spektrum der Ursachen für organische Stimmstörungen sehr vielfältig ist, lassen sich keine genauen Angaben machen. Die akute Kehlkopfentzündung (Laryngitis) repräsentiert mit etwa einem Drittel der Erkrankungen im HNO-Bereich eine der häufigsten Erkrankungen. Dies ist dadurch bedingt, dass sie häufig im Zusammenhang mit (Erkältungs-)Infekten auftritt.
Grundsätzlich sollte auf Stimmhygiene geachtet werden, dazu zählen ein angemessener Stimmgebrauch, die Vermeidung von andauernder stimmlicher Überbelastung, aber auch die Stimmschonung insbesondere bei einer akuten Kehlkopfentzündung. Des Weiteren sollten schädliche Umwelteinflüsse wie Rauchen, Alkohol oder chemisch belastete Atemluft vermieden werden.
Eine organisch bedingte Stimmstörung wird durch die Untersuchung des Kehlkopfs bei einem HNO-Arzt festgestellt, der ggf. eine weiterführende Diagnostik veranlasst, die z. B. folgende Untersuchungen umfassen kann: Röntgen- und Gewebeuntersuchungen (Histologie), Stroboskopie (Untersuchung des Schwingungsverhaltens der Stimmlippen) oder eine computergestützte Stimmuntersuchung (Phonetogramm, Stimmfeld).
Organisch bedingte Stimmstörungen werden logopädisch (Stimmtherapie), medikamentös und mikro-chirugisch behandelt.
Eine medikamentöse Behandlung ist in jedem Fall im Hinblick auf die zugrundeliegenden Erkrankungen, wie z. B. bei akuten Kehlkopfentzündungen oder Reflux-Erkrankungen, erforderlich.
Des Weiteren werden chirurgische Eingriffe vorgenommen, z. B. das Abtragen von pathologischen Gewebeneubildungen im Bereich der Stimmlippen oder das Entfernen eines Tumors. Eine logopädische Therapie erfolgt i.d.R. nach der Wundheilung, um eine möglichst normale Stimmfunktion wieder aufzubauen und ggf. zugrundeliegende unphysiologische Stimmmuster zu behandeln.
Je nach Erkrankung wird zunächst eine (primäre) Stimmtherapie durchgeführt, wobei im Bedarfsfall, z.B. Therapieresistenz bei Stimmlippenknötchen, eine mikro-chirurgische Behandlung vorgenommen wird. Grundsätzlich wird empfohlen vor- und nach jeder mikro-chirurgischen Behandlung eine Stimmtherapie durchzuführen.
Die logopädische Therapie strebt eine Normalisierung der Stimmbildung an. Ziel ist es, die Atmung und die Spannung im Bereich der Stimmlippen sowie die Artikulation zu harmonisieren, um eine erneute Überbelastung und damit Neubildung von Wucherungen zu vermeiden (Prävention). In Einzelfällen (z. B. bei weichen Stimmlippenknötchen) wird Logopädie konservativ als Alternative zu einer Stimmlippen-Operation eingesetzt.
Bei Lähmungen im Kehlkopf zielt frühzeitige Logopädie auf die Re-Aktivierung der normalen stimmgebenden Muskelfunktion. Bei lang andauernden/chronischen Lähmungen und strukturellen Defekten im Kehlkopfbereich nutzt die Stimmtherapie noch erhaltene Muskelfunktionen zur Optimierung der beeinträchtigten Stimmleistung;
Bei neurologischen Grunderkrankungen erfolgt eine Stimmtherapie begleitend zur medikamentösen Behandlung. Ziele der logopädischen Stimmtherapie sind auch hier die Verbesserung der Stimmfunktion und bei fortschreitenden Erkrankungen ihr Erhalt. Bei Morbus Parkinson hat sich eine speziell für diese Erkrankung entwickelte Stimmtherapie als effektiv erwiesen. Ihre Wirksamkeit wird z. Zt. auch für andere neurologische Erkrankungen untersucht.
Erste Anlaufstelle ist ein HNO-Arzt oder Phoniater in freier Praxis oder in ambulanten klinischen Einrichtungen. Im Internet lassen sich verschiedene Foren zu ausgewählten Themen finden, wie z. B. bei Stimmlippenlähmungen (www.recurrensparese.de) oder Therapeuten für Stimmtherapie bei M. Parkinson (www.lsvtglobal.com). Aber auch Krankenkassen und niedergelassene Logopädinnen informieren über regionale Selbsthilfegruppen, z. B. im Falle von Schlaganfall, Morbus Parkinson oder Krebserkrankungen.
Böhme, Gerhard (2003). Sprach-, Sprech-, Stimm- und Schluckstörungen. Band 1: Klinik, 4. Aufl., München: Urban und Fischer
Hammer, S. (2011). Stimmtherapie mit Erwachsenen. 5. Auflage. Heidelberg: Springer
Seidner, W., Eysholdt, U., Wendler, J. (Hrsg.) (2005): Lehrbuch der Phoniatrie und Pädaudiologie. 4., völlig überarbeitete Auflage. Stuttgart/New York: Thieme
Tesche, B. (2012): Stimme und Stimmhygiene. Ein Ratgeber zum Umgang mit der Stimme, 3. Auflage, Idstein: Schulz-Kirchner Verlag
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