Poltern
Poltern zeigt sich in schnellem und / oder unregelmäßig ( irregulär) schwankendem Sprechtempo. Es treten dabei Auslassungen, Verschmelzungen und artikulatorische Veränderungen von Lauten, Silben, Wörtern und Phrasen auf.
"gsan awnch auwan fan" (Gestern Abend bin ich auf der Autobahn gefahren).
Das Sprechen wird dadurch schwer verständlich, phasenweise unverständlich, die Prosodie ist häufig auffällig. Zusätzlich bestehen sehr häufig Unflüssigkeiten in Form von Wiederholungen von Silben, Wörtern und Satzteilen, oder lockeren Lautwiederholungen.
"Chill, cheiß ni nich" (Ich will- ich weiß ni-nicht).
Auch Satzabbrüche, Wortabbrüche, Einschübe von Flicklauten oder Flickwörtern treten auf. Polternde Menschen leiden unter mangelnder Sprechkontrolle. Die meisten polternden Menschen wissen zwar, dass sie schnell und undeutlich sprechen, können ihr Sprechen in den spezifischen Sprechsituationen aber nicht kontrollieren. Es können dadurch Sprechängste auftreten, die teilweise zum Vermeiden von Sprechsituationen führen. Einem Teil der polternden Menschen gelingt es nicht, ihre Redeinhalte für den Gesprächspartner verständlich zu strukturieren. Dabei beziehen Äußerungen sich inhaltlich und grammatisch nur unzureichend aufeinander und der sogenannte "rote Faden" ist nicht oder nur schwer zu erkennen. Nebenthemen werden dabei ausführlich dargestellt, während es gleichzeitig nicht gelingt, das Hauptanliegen klar zu beschreiben.
Im Gespräch kann bei polternden Menschen eine Neigung zum Monologisieren bestehen, für den Gesprächspartner ist es dann schwer, zu Wort zu kommen. Manchen polternden Menschen fällt es zusätzlich schwer, eigene Äußerungen umzuformulieren, wenn der Gesprächspartner diese nicht verstanden hat. Die Symptome von Poltern sind individuell unterschiedlich gewichtet.
Die genauen Ursachen von Poltern sind noch nicht bekannt. In den letzten Jahren wurden Untersuchungen mit der funktionellen Magnetresonanztomographie (MRT) durchgeführt. Dabei zeigten polternde Menschen im Vergleich zu stotternden Menschen im Gehirn andere neurophysiologische Aktivierungen in primär motorischen und praemotorischen Arealen sowie den Basalganglien. Äußerungen werden, bevor ihre Planung abgeschlossen ist, bereits gesprochen. Nach derzeitigem Kenntnisstand ist davon auszugehen, dass Poltern erblich bedingt ist. Dies wird gestützt durch Beobachtungen, dass häufiger Jungen als Mädchen von Poltern betroffen sind und Poltern innerhalb von Familien über mehrere Generationen auftritt.
Aktuelle wissenschaftlich fundierte Prävalenzraten (Auftretenshäufigkeit) gibt es nicht. In einer Studie aus den 70er Jahren wird ein Prozentsatz von 0,4% der Bevölkerung angegeben. Studien aus den 80er und 90 er Jahren geben an, dass reines Poltern seltener als reines Stottern auftritt (Auftretenshäufigkeit von Stottern ca. 1% der Bevölkerung). Oft werden auch Mischformen von Poltern und Stottern mit unterschiedlichen Gewichtungen der beiden Störungen beobachtet.
Bei Verdacht auf Poltern ist nach ärztlicher Verordnung eine logopädische Diagnostik durch eine LogopädIn mit dem therapeutischen Schwerpunkt "Stottern/ Poltern" zu empfehlen. In der Anamnese werden neben der aktuellen Symptomatik und der sprachlichen Entwicklung auch der Leidensdruck, der Umgang mit der Poltersymptomatik, eigene Hilfsstrategien und die grundsätzliche Therapiemotivation erfragt. Spontansprache wird bezüglich Aussprache, Sprechtempo, Unflüssigkeiten, Prosodie und Stimme untersucht. Auch die Sprechmotorik (orale Diadochokinese = schnelle Silbenfolgen, und Mundmotorik), Fähigkeiten zum Wechsel des Sprechtempos, auditive Merkfähigkeit (wie merke ich mir Gehörtes?), Kommunikationsverhalten, Selbstwahrnehmung der Symptome und die genaue Untersuchung von Sprechangst und Vermeideverhalten werden abgeklärt. Mit dem Patienten wird der so erhobene Befund besprochen und gemeinsam werden, bei Behandlungsbedarf, Therapieziele und Therapieinhalte geplant.
Poltern kann sowohl in ambulanter als auch in stationärer logopädischer Therapie durchgeführt werden.
Stationäre Therapien sind bisher allerdings auf Stottern bezogen und nicht spezifisch auf Poltern ausgerichtet. Sie sind daher vor allem bei einer Mischsymptomatik von Poltern und Stottern geeignet.
Bei einer sachgemäß durchgeführten ambulanten logopädischen Therapie und ausreichender Eigenmotivation, ist zu erwarten, dass der Polternde lernt, sein Sprechen in ihm wichtigen Situation zu kontrollieren und eine grundlegende Besserung seiner Symptomatik zu erreichen. Dies geschieht, angepasst an die persönliche Poltersymptomatik, durch Übungen zur Wahrnehmung der Symptome, Übungen zur sofortigen Korrektur gepolterer Sprache, Übungen zum Umgang mit verschiedenen Sprechgeschwindigkeiten und sprachliche Strukturierungsübungen. Die Therapieinhalte werden in das "echte Leben" (In-vivo Training) übertragen, so dass die Therapieeffekte nachhaltig sind.
Eine erste Abklärung erfolgt über einen Phoniater oder HNO-Arzt, anschließend ist zur intensiven Beratung die Suche nach einer auf Poltern/ Stottern spezialisierten LogopädIn sinnvoll (Logopädensuche) . International gibt es die "International Cluttering Association" (ICA), deren Vertreter gerne angeschrieben werden können.
Sick, U. (2004).Poltern. Theoretische Grundlagen. Diagnostik und Therapie. Forum Logopädie. Springer. L. Schrey-Dern, D. (Hrsg). Stuttgart: Thieme
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