Rentenversicherungspflicht
Logopäden, akademische Sprachtherapeuten und Atem-, Stimm- und Sprechlehrer galten lange Zeit als nicht versicherungspflichtig. Sie wurden von der Rentenversicherungspflicht nicht erfasst, weil sie aufgrund eigener Diagnose und eigenem Therapieplan tätig werden.
Im Gegensatz dazu sind Physiotherapeuten und Podologen schon seit langem rentenversicherungspflichtig, dies hat das Bundesozialgericht (BSG) in mehreren Entscheidungen bestätigt und dabei stets auf die anders gelagerte Tätigkeit von Logopäden verwiesen.
Bereits 2007 hatte das BSG in einer Entscheidung zur Physiotherapie angedeutet, dass eine Gleichstellung selbstständiger Physiotherapeuten mit versicherungsfreien Leistungserbringern, wie z.B. Logopäden, möglich sei. Eine solche könne auch dadurch erreicht werden, wenn diese bisher versicherungsfreien Leistungserbringer (also auch Logopäden) in die Rentenversicherungspflicht einbezogen würden.
Seit 2012 hat die Deutschen Rentenversicherung ihre Verwaltungspraxis geändert, indem sie Logopäden, akademische Sprachtherapeuten und Atem-, Stimm- und Sprechlehrer wie Pflegepersonen im Sinne des § 2 Nr. 2 SGB VI einstuft und damit auch selbstständige Logopäden der Rentenversicherungspflicht unterwirft, sofern diese regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen.
Was haben dbl, dbs und dba unternommen?
Die Verbände dba, dbl und dbs haben gemeinsam fünf Musterverfahren geführt, in denen sie die Rechtsauffassung der Deutschen Rentenversicherung angegriffen und namens und im Auftrag der betroffenen Mitglieder Klage gegen diese erhoben haben. Das Hauptargument war: Die Therapeuten des Heilmittels Stimm-, Sprech-und Sprachtherapie treffen eigene therapeutische Entscheidungen auf Basis der Befunderhebung und üben damit selbst Heilkunde aus, auch wenn sie von der Therapieentscheidung des Arztes (Verordnung ja oder nein, sog. Arztvorbehalt) abhängig sind.
Die erste Musterklage (in diesem Fall einer Logopädin) wurde am Sozialgericht Mannheim geführt. Dieses bestätigte in der ersten Instanz die Verwaltungspraxis der Deutschen Rentenversicherung und wies die Klage der Logopädin ab, ließ aber wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Fragestellung die Sprungrevision zum BSG zu, so dass eine weitere Tatsacheninstanz übersprungen werden konnte.
Wie hat das BSG entschieden?
Das Bundessozialgericht (BSG) hat in der mündlichen Verhandlung am 23. Juli 2015 deutlich gemacht, dass das Arbeiten auf der Grundlage einer Verordnung ein taugliches Kriterium für die Abgrenzung des versicherungsfreien Heilberufes von den versicherungspflichtigen Krankenpflegeberufen sei.
Das BSG traf zwar keine abschließende Entscheidung, sondern verwies die Sache an das Sozialgericht Mannheim zurück. Zugleich brachte das BSG in der mündlichen Verhandlung jedoch seine Rechtsauffassung klar zum Ausdruck, dass eine Rentenversicherungspflicht für die Klägerin besteht.
Wie ist die Entscheidung zu erklären?
Für das BSG gibt es zwei entscheidende Abgrenzungskriterien zwischen Heilkunde und Krankenpflege: 1. Die Therapeuten werden auf Verordnung tätig. 2. In der Heilmittelrichtlinie gibt es keine Position zur Befunderhebung. Inhaltliche Aspekte der therapeutischen Tätigkeit sind für das BSG dabei nicht entscheidend.
Zugleich greift das BSG mit dieser Entscheidung die momentane politische Richtung auf, möglichst viele Berufsgruppen der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht zu unterwerfen.
Was bedeutet das für die Berufsgruppe?
Der Hinweis des BSG gilt für alle Logopäden, akademische Sprachtherapeuten und Atem-, Stimm- und Sprechlehrer:
Wer nach dem 1. April 2012 seine selbstständige Tätigkeit aufnimmt, unterliegt zunächst der Rentenversicherungspflicht, soweit sie/er regelmäßig keine Arbeitnehmer hat. Bei Beschäftigung eines Mini-Jobbers (bis 450,00 Euro monatlich) bleibt die Rentenversicherungspflicht bestehen. Etwas anderes gilt nur, wenn eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung eines Arbeitnehmers vorliegt oder wenn mehrere geringfügig Beschäftigte tätig sind, die einen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer ersetzen.
Betroffen sind auch Honorarkräfte/freie Mitarbeiter – sie üben eine selbständige Tätigkeit i.S. der Rentenversicherungspflicht aus, wenn sie Ihre selbständige Tätigkeit nicht nur in geringfügigem Umfang ausüben, d.h. das Arbeitseinkommen regelmäßig 450 Euro im Monat übersteigt.
Wer bereits vor dem 1. April 2012 seine selbstständige Tätigkeit aufgenommen hat, kann sich auf Bestandsschutz berufen. Für sie/ihn tritt keine Rentenversicherungspflicht ein, auch wenn regelmäßig keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt werden.
Meldepflicht
Haben Sie Ihre selbstständige Tätigkeit nach dem 1. April 2012 aufgenommen, müssen Sie sich innerhalb von drei Monaten nach Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit bei Ihrem Rentenversicherungsträger melden. Ist die Frist verstrichen, können Beiträge grundsätzlich nachgefordert werden.
Der Regelbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung basiert auf dem aktuellen Beitragssatz und der Bezugsgröße, die jährlich für West und Ost neu festgelegt wird: 2016 in den alten Bundesländern monatlich 543,24 Euro und 271,62 Euro in den neuen Bundesländern.
In den ersten drei Kalenderjahren der selbstständigen Tätigkeit kann auch die Zahlung des sogenannten „halben Regelbeitrag“ beantragt werden (2016: in den alten Bundesländern monatlich 471,24 Euro und 235,62 Euro in den neuen Bundesländern).
Daneben besteht stets die Möglichkeit, einen einkommensgerechten – vom Regelbeitrag abweichenden –- Beitrag zu zahlen, wenn ein abweichendes Arbeitseinkommen anhand des letzten Einkommensteuerbescheides nachgewiesen wird.